Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat für das gemeinschaftliche Eigentum die Verkehrssicherungspflichten wahrzunehmen. Der Verwalter ist insoweit von Gesetzes wegen ihr Vertreter.

 

Normenkette

§§ 31, 89, 906 BGB; § 10 Abs. 6 WEG

 

Das Problem

  1. Mieter M, der von Wohnungseigentümer W einen Garagenstellplatz gemietet hat, verlangt Schadensersatz.
  2. M behauptet, durch das Tiefgaragendach sei kalkhaltiges Wasser auf sein Cabriolet, welches er im Winter nicht nutze, getropft. Die Beseitigung der Spuren koste 1.234,75 EUR. Er meint, nicht sein Vermieter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei schadensersatzpflichtig. Sie sei nämlich ihrer Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Instandsetzung/Instandhaltung der Tiefgaragedecke nicht nachgekommen. Deren Mängel seien ohne Weiteres erkennbar. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe Mieter der Stellplätze dennoch nicht über etwaige Gefahren für die dort geparkten Fahrzeuge aufgeklärt bzw. die Garage nicht bis zur vollständigen Sanierung gesperrt.
  3. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer meint, sie sei die falsche Beklagte: M müsse sich an seinen Vermieter, den Wohnungseigentümer W, wenden. Im Übrigen führe sie gegen den Bauträger wegen der Mängel einen Mängelgewährleistungsprozess. Es seien auch schon verschiedentlich Maßnahmen an der Tiefgarage, auch insbesondere an der hier gegenständlichen Stelle des Tiefgaragendachs vorgenommen worden. Diese Vorgänge seien den Eigentümern durch die Versammlungen bekannt gewesen. Ihre eventuelle Verkehrssicherungspflicht, die sich per se auf eine Kontroll- und Überwachungsfunktion beschränke, sei durch die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche auf den Bauträger übergegangen.
 

Entscheidung

  1. Die Klage ist unbegründet! M habe gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
  2. Allerdings ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich die richtige Beklagte. Die Verkehrssicherungspflicht für die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Flächen, Anlagen oder Einrichtungen treffe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, wobei es dahinstehen könne, ob es sich um eine originär eigene Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder um eine geborene Wahrnehmungsbefugnis von Pflichten handle. Gegenüber Dritten hafte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsprechend §§ 31, 89 BGB für Pflichtverletzungen des Verwalters, aber auch für Pflichtverletzungen der Eigentümer im Rahmen der Beschlussfassung.
  3. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe ihren Verkehrssicherungspflichten indessen genügt. Es sei unstreitig, dass den Eigentümern und dem Verwalter V die Schadhaftigkeit der Tiefgaragendecke bekannt gewesen sei.
  4. Die hier entscheidende Frage sei daher, ob es ausreichend war, dass V alle Eigentümer informiert hatte oder ob daneben, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, V als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Pflicht hatte, die Nutzer der Tiefgarage z.B. durch Aushänge in der Tiefgarage zu informieren (eine persönliche Information der jeweiligen tatsächlichen Nutzer wäre nicht möglich gewesen, weil V nicht bekannt sein konnte, welcher Eigentümer seinen Stellplatz vermietet hatte oder wer der Nutzer war).
  5. Das Gericht gehe davon aus, dass die Information der Eigentümer ausreichend gewesen sei. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass es sich um keine öffentliche Tiefgarage handle. Der Verkehr sei daher nur für solche Nutzer eröffnet, die entweder Eigentümer sind oder denen die Nutzung von dem jeweiligen Eigentümer gestattet wurde. Die konkrete Eröffnung des Verkehrs wegen der Nutzung der Tiefgarage sei also durch den jeweiligen Miteigentümer erfolgt. Die Pflicht zur Information über gewisse Gefahren bei der Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliege daher dem Eigentümer, der dem Dritten die Nutzung eröffne; dies gelte jedenfalls in den Fällen, bei denen die Eigentümer informiert sind.
  6. Der Verwalter habe daher davon ausgehen dürfen, dass die jeweiligen Eigentümer ihre Nutzer informieren. Anders läge es bei Gefahren, die für die jeweiligen Eigentümer nicht vorhersehbar seien. Hätte zum Beispiel die Gefahr bestanden, dass sich Betonbrocken aus der Decke lösen und daher erhebliche Gefahr auch für die Gesundheit jeglicher Nutzer bestand, hätte auch V die Pflicht gehabt, entsprechend die Nutzer der Garage durch Aushänge davor zu warnen oder tatsächlich, je nach Umfang und Konkretheit der Gefahr, die Nutzung einzuschränken.
  7. Es komme auch kein verschuldensunabhängiger Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht. Zwar könnten Eigentümer untereinander Ansprüche auf diesen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch stützen. Das Gleiche gelte für Mieter. Jedoch stehe dem Sondereigentümer kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu (Hinweis auf BGH v. 21.5.2010, V ZR 10/10, NJW 2010 S. 2347). Dann könne...

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