Leitsatz

Aufseiten der Kindesmutter besteht in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren gem. § 372a ZPO die Möglichkeit, ihre grundsätzliche Duldungspflicht bei der Erstellung eines Abstammungsgutachtens zu verweigern. Aus § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass das FamG bei einem Interessenkonflikt der Kindesmutter ihr die Vertretungsmacht im Rahmen der weiteren Voraussetzungen des § 1666 BGB entziehen kann.

Werden Gründe der Kindeswohlgefährdung bei abzusehenden Umgangskontakten im Falle der Feststellung der Vaterschaft für die Weigerung im Rahmen von § 372o ZPO angeführt, können darin auch zugleich Gründe für eine (teilweise) Entziehung des Sorgerechts gem. § 1666 Abs. 1 BGB liegen.

 

Sachverhalt

Das FamG hatte der Kindesmutter das Recht zur Vertretung ihrer Kinder im Verfahren der Anfechtung der Vaterschaft entzogen und einem Ergänzungspfleger übertragen. Dies im Hinblick darauf, dass die Mutter sich geweigert hatte, ein gemäß gerichtlichem Beschluss einzuholendes serologischen Gutachten durch Blutentnahme zu ermöglichen, sie hatte von ihrem Weigerungsrecht aus § 372a ZPO Gebrauch gemacht und zur Begründung angeführt, der mögliche Vater habe sie während der Empfängniszeit bedroht sowie körperlich und sexuell misshandelt. Das mögliche Ergebnis, die Feststellung der Vaterschaft mit sämtlichen Folgen würde für die Kinder eine Fortsetzung der von ihnen erlebten traumatischen Erfahrungen bedeuten, dies gelte insbesondere bei einem dann dem Vater einzuräumenden Umgang.

Gegen den erstinstanzlichen Beschluss legten sowohl die Kindesmutter als auch das Jugendamt sofortige Beschwerde ein und begehrten Aufhebung des Beschlusses.

Das Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG Karlsruhe vertrat die Auffassung, dass eine teilweise Entziehung des Sorgerechts hinsichtlich der Weigerungserklärung gem. § 372a ZPO aus §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796, 1666 BGB unbegründet sei.

Nach § 1629 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 BGB bestehe die Möglichkeit der Entziehung der Vertretung wegen eines Interessengegensatzes bei Klagen auf Feststellung der Vaterschaft nicht, sondern nur in Einzelfällen im Rahmen von § 1666 BGB. Zu prüfen sei jedoch dabei insbesondere die Frage der Erforderlichkeit der Verweisung des § 372a Abs. 2 ZPO auf die Regelungen zum Zwischenstreitpunkt.

Die Begründung der Mutter, die Blutentnahme in diesem Fall zu verweigern, werde von § 372a ZPO nicht getragen, da dort explizit nur die befürchteten negativen gesundheitlichen Folgen sowie nachteilige Wirkungen des Ergebnisses der Untersuchungen aufgeführt seien. Dazu gehörten allerdings nicht Probleme einer späteren Umgangsregelung. Eine Einbeziehung derartiger Gründe in die Entscheidung des Zwischenstreits sei nach den beachtlichen Vorgaben des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 06.05.1997 - 1 BvR 409/90 = FamRZ 1997/869) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgrund der enormen Bedeutung der Beziehungen zwischen den Eltern und ihren Kindern unvereinbar, weil damit ggf. bereits im Vaterschaftsfeststellungsverfahren über die Vereitelung von etwaigen Umgangsrechten entschieden werde. Es sei danach nicht erforderlich gewesen, über die (teilweise) Entziehung der elterlichen Sorge zu entscheiden, da die unberechtigte Weigerung bereits auf andere Weise, nämlich durch Entscheidung über den Zwischenstreit, hätte geklärt werden können.

 

Hinweis

Bei einer Weigerung des gesetzlichen Vertreters zur Blutentnahme bei Minderjährigen sind primär die Voraussetzungen des § 372a ZPO i.V.m. §§ 386 bis 390 zu prüfen. Trägt eine Partei in diesem Zusammenhang eine Kindeswohlgefährdung bei zu erwartenden Umgangskontakten vor, muss zunächst geprüft werden, ob dem nicht auf andere Art und Weise begegnet werden kann. Diese vorrangige andere Weise als Merkmal der Erforderlichkeit i.S.v. § 1666 BGB liegt in dem gesetzlich vorgesehenen Zwischenstreit, der sich aus der Verweisung in § 372a Abs. 2 S. 1 ZPO ergibt.

Die Frage der berechtigten oder unberechtigten Weigerung zur Duldung der Blutentnahme ist dabei vorrangig nur mit den in § 372a Abs. 1 ZPO angeführten negativen Folgen zu klären.

 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.10.2006, 2 UF 197/06

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