Leitsatz

  1. Bei der Beschlussfassung über Bestellung oder Abberufung des Verwalters gilt das vereinbarte Stimmrechtsprinzip
  2. Vom Kopfprinzip abweichend vereinbarte Stimmrechtsregelung stellt keine unzulässige Beschränkung der Bestellung oder Abberufung dar
 

Normenkette

§ 26 Abs. 1 Satz 5 WEG

 

Kommentar

  1. Auch im Anschluss an die WEG-Reform 2007 stellt es keine unzulässige Beschränkung der Bestellung oder Abberufung des Verwalters dar, wenn das Kopfprinzip durch Vereinbarung zugunsten des Objekt- oder Wertprinzips abbedungen worden ist (Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung zum alten Recht, Senatsbeschluss v. 19.9.2002, BGHZ 152 S. 46/53 f.). Der BGH folgt hier der heute vorherrschenden Rechtsmeinung (a.A. insb. Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 11. Aufl., § 25 Rn. 32 und § 26 Rn. 39; Merle, ZWE 2009 S. 15/19 ff.).
  2. § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG schreibt lediglich das Mehrheitsprinzip als solches fest, sodass Bestellung oder Abberufung des Verwalters nicht von Vereinbarung etwa qualifizierter Mehrheit oder gar einstimmiger Beschlussfassung abhängig gemacht werden kann. Ein abweichend vom Kopfprinzip vereinbartes Stimmrecht stellt demgegenüber keine"Beschränkung" im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG dar. Auch das im Grundsatz gesetzlich vorgesehene Kopfprinzip ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG abdingbar (vgl. bereits BGH, Beschluss v. 19.9.2002, BGHZ 152 S. 46/53).
  3. Auch die gesetzlichen Neuregelungen in §§ 12 Abs. 4 Satz 2, 16 Abs. 5 und 22 Abs. 2 Satz 2 WEG stehen der h.M. nicht entgegen, auch wenn dort der Gesetzgeber eine Hinwendung zum Mehrheitsprinzip in Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit bezweckte. Ob in den neuen Bestimmungen auch von Unabdingbarkeit des Kopfprinzips auszugehen ist, ist unklar und umstritten. Eine dritte Meinung geht davon aus, dass nur im Fall erforderlicher qualifizierter Mehrheit gemäß §§ 16 Abs. 4 und 22 Abs. 2 Satz 1 WEG von einem gesetzlich angeordneten Vorrang des Kopfprinzips auszugehen ist. Der Gesetzgeber hat jedenfalls keine Vorgaben zur Stimmkraft getroffen.
  4. Allerdings besitzt schon der Wortlaut der Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG nicht den gleichen Gehalt wie die vorerwähnten reformgesetzlichen Bestimmungen. Auch wurde insoweit § 26 Abs. 1 Satz 5 gegenüber früherer Regelung nicht geändert. Der Gesetzgeber wollte insoweit keine neuerlichen Vorgaben für die interne Willensbildung machen, sondern in erster Linie die Einflussnahme Dritter – etwa seitens Kreditgeber oder Bauträger – auf die Verwalterbestellung oder -abberufung verhindern.
  5. Eine unbedingte Durchsetzung des Kopfprinzips ist auch nicht geboten, da es dem Objekt- oder Wertprinzip nicht generell überlegen ist. Immerhin bestimmen sich die mit der Verwaltung verbundenen wirtschaftlichen Lasten i.d.R. nach den Miteigentumsanteilen und nicht nach Köpfen. Zwar besteht Majorisierungsgefahr beim Objekt- oder Wertprinzip durch einzelne Eigentümer zulasten einer rechnerischen Mehrheit nach Kopfzahl. Minderheitenschutz gewährleisten allerdings das Prinzip ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 5 WEG und dessen gerichtliche Kontrolle durch mögliche Anfechtungsklage.
Anmerkung

Im gleichen Sinne entschied kürzlich bereits das AG Charlottenburg mit Urteil v. 7.4.2010 (ZMR 2010 S. 644), ebenfalls unter Berufung auf den BGH-Beschluss v. 19.9.2002 (ZMR 2002 S. 930 = NZM 2002 S. 995/997).

Der BGH bestätigte im neuerlichen Urteil auch die Vorinstanzen, d.h. die Urteile des AG Dresden v. 5.5.2010 (ZMR 2010 S. 804) und des LG Dresden im Urteil v. 24.11.2010 (ZMR 2011 S. 318). Das Amtsgericht hatte sogar den Verwalter in die Kosten des Beschlussanfechtungsverfahrens wegen eigennütziger Missachtung der Gemeinschaftsordnung nach § 49 Abs. 2 WEG verurteilt. Diese Kostenentscheidung des Amtsgerichts wurde allerdings durch das Landgericht Dresden aufgehoben, da nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden könne, wenn ein Verwalter eine "Rechtsmeinung namhafter Fachkommentatoren" vertreten hatte.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 28.10.2011, V ZR 253/10

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