Rz. 573

Eine Familienstiftung setzt voraus, dass die Stiftung "wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland" errichtet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Das Steuerklassenprivileg findet – vorbehaltlich europarechtlicher Bedenken[870] – daher keine Anwendung, wenn die Familienstiftung ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Ausland hat.

 

Rz. 574

Unter "Familie" ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu verstehen.[871] Der Kreis der Angehörigen ist dabei nach § 15 AO zu bestimmen.[872]

 

Rz. 575

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ist eine Stiftung dann "wesentlich" im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet, wenn nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft das Wesen der Stiftung darin besteht, den berechtigten Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer privaten Nutzung zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge an sich zu ziehen. Zwar soll es auf tatsächliche Ausschüttungen von Erträgen oder Nutzungen des Stiftungsvermögens nicht ankommen.[873] Jedoch soll die qualitative Bedeutung der Satzungszwecke anhand der tatsächlichen Geschäftsführung beurteilt werden. Die abstrakte Beurteilung der einzelnen Stiftungszwecke anhand der Satzung reiche nicht aus.[874]

 

Rz. 576

Die Finanzverwaltung nimmt eine quantitative Abgrenzung vor und geht von einer Familienstiftung aus, wenn nach der Satzung der Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte hinsichtlich der Ausschüttungen bezugs- oder anfallsberechtigt sind.[875] Belegen zusätzliche Merkmale ein "wesentliches Familieninteresse", so soll eine Familienstiftung vorliegen, wenn der Stifter und seine Angehörigen zu mehr als einem Viertel bezugs- oder anfallsberechtigt sind.[876] Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Familie wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung hat.[877]

 

Rz. 577

Die von der Finanzverwaltung vertretene Grenze von 25 % wird vielfach als zu niedrig erachtet.[878] Zu berücksichtigen ist, dass der Begriff der Familienstiftung nicht nur zu deren Gunsten für die Inanspruchnahme des Steuerklassenprivilegs Verwendung findet, sondern auch für die Frage, welche Stiftungen der Erbersatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) unterliegen. Im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung wäre die Festlegung quantitativer Grenzen der Bezugs- oder Anfallsberechtigung oberhalb von 25 % wünschenswert.[879]

[870] Für die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift u. a. Hey, DStR 2011, S. 1149, 1156; Kellersmann/Schnitger, IStR 2005, S. 253. Umfassend zu gemeinschaftsrechtlichen Bedenken gegen die gegenwärtige Besteuerung ausländischer Familienstiftungen dies., in Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 22 Rn. 70 ff.
[871] R E 1.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011.
[872] Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rn. 813 m. w. N.
[875] R E 1.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011.
[876] R E 1.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011.
[877] R E 1.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011.
[878] Schiffer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 1 Rn. 89; Meincke, ErbStG, § 1 Rn. 17; Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rn. 813.
[879] Vgl. Schiffer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 1 Rn. 89, der die Grenze in Anlehnung an § 58 Nr. 5 AO bei einem Drittel sieht.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge