Rz. 343

Eine Körperschaft verfolgt mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Hilfsbedürftige selbstlos zu unterstützen (§ 53 AO). Dabei wird zwischen persönlicher (§ 53 Nr. 1 AO) und wirtschaftlicher Hilfsbedürftigkeit (§ 53 Nr. 2 AO) unterschieden. Hilfsbedürftig ist, wer auf die Hilfe anderer angewiesen ist.[437] Die Hilfe muss erforderlich sein, nicht nur zweckmäßig. Außerdem muss die Hilfsbedürftigkeit auf den beiden abschließend aufgezählten Ursachen, der persönlichen oder wirtschaftlichen Situation der Person, beruhen.

[437] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 43 Rn. 38.

1.3.1 Persönliche Bedürftigkeit

 

Rz. 344

Persönlich hilfsbedürftig sind Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Körperliche Hilfsbedürftigkeit meint jede Einschränkung der Bewegungsfähigkeit oder körperlichen Leistungsfähigkeit aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung.[438] Eine geistige oder seelische Hilfsbedürftigkeit ist gegeben, wenn das Leistungsvermögen durch geistige Gebrechen oder seelische Krankheiten, etwa Psychosen, Gehirnverletzungen, Suchterkrankungen oder Neurosen beeinträchtigt ist.[439] Zu den persönlich Hilfsbedürftigen zählen vor allem Personen, die pflegebedürftig i. S. d. § 61 Abs. 1 SGB XII sind.[440] Dies sind Menschen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen. Der Hilfsbedürftigkeitsbegriff des § 53 AO geht aber noch darüber hinaus. So ist hilfsbedürftig beispielsweise auch eine Person, die zwar zu den Verrichtungen im Stande ist, sie aber infolge geistiger oder seelischer Regelschwierigkeiten und einer dadurch hervorgerufenen Antriebsschwäche nur unter Anleitung und Aufsicht durchführen kann.[441]

 

Rz. 345

Für die Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit kommt es nicht darauf an, dass die Hilfsbedürftigkeit dauernd oder für längere Zeit besteht.[442] Auch kommt es nicht auf die wirtschaftliche Unterstützungsbedürftigkeit an.[443] Die Finanzverwaltung nimmt bei Personen, die das 75. Lebensjahr vollendet haben, körperliche Hilfsbedürftigkeit ohne weitere Nachprüfung an.[444]

 

Rz. 346

Erforderlich ist, dass die Hilfsleistung unmittelbar auf die Verbesserungen des Wohlbefindens gerichtet ist und sich nicht in einer rein finanziellen Förderung beschränkt. Heil- und Pflegeanstalten, Organisationen, die Essen auf Rädern anbieten, Telefonseelsorgeorganisationen und Frauenhäuser verfolgen regelmäßig mildtätige Zwecke. Unentgeltlichkeit der mildtätigen Zuwendung ist nicht erforderlich. Die mildtätige Zuwendung darf jedoch nicht nur des Entgelts wegen erfolgen.

[438] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 165.
[439] Wallenhorst/Halaczinsky, D Rn. 12 ff.; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 165.
[440] Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 112.
[441] Buchna/Seeger/Brox, a. a. O.
[442] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 165.
[443] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 3 Rn. 166.

1.3.2 Wirtschaftliche Bedürftigkeit

 

Rz. 347

Wirtschaftlich bedürftig ist eine Person, deren Bezüge nicht höher als das Vierfache, beim Alleinstehenden und Haushaltsvorstand das Fünffache des Sozialhilfe-Regelsatzes sind (§ 53 Nr. 2 Satz 1 AO).[445] Nicht bedürftig sind Personen, deren Vermögen zur nachhaltigen Verbesserung ihres Unterhalts ausreicht und denen zugemutet werden kann, es dafür zu verwenden (§ 53 Nr. 2 Satz 2 AO). Als ausreichend wird ein Vermögen angesehen, wenn dessen gemeiner Wert (Verkehrswert) mehr als 15.500 EUR beträgt, wobei Hausrat, Erinnerungsstücke, ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII sowie Gegenstände, die verschleudert werden müssten, außer Betracht bleiben.[446]

 

Rz. 348

Wirtschaftlich bedürftig ist auch eine Person, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist. Besondere Gründe in diesem Sinne sind z. B. Naturkatastrophen wie das Erd- und Seebeben in Japan im März 2011[447] oder lange Krankheit. Die Verwendung von Mitteln für die Linderung von Naturkatastrophen hat die Finanzverwaltung in der Vergangenheit mehrfach durch die Verfügung einer Beweiserleichterung als Förderung mildtätiger Zwecke erleichtert (z. B. für die Opfer des Erd- und Seebebens in Japan für den Zeitraum vom 11.3.2011 bis 31.12.2011).[448] Die Höhe der Bezüge bzw. des Vermögens der geförderten Person ist in diesen Fällen unbeachtlich, auch wenn sie die Grenzen der allgemeinen wirtschaftlichen Bedürftigkeit übersteigt (§ 53 Nr. 2 Satz 3 AO).

 
Praxis-Beispiel

Vermietung von Wohnraum

Vermietet eine Stiftung Wohnraum z. B. an Personen, die aufgrund besonderer sozialer Probleme ansonsten nur mit Schwierigkeiten Wohnmietraum auf dem regulären Markt erhalten würden, wie Strafentlassene, Obdachlose, Behinderte, kinderreiche Familien usw., ist die Erhebung einer Miete, die der Kos...

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