Leitsatz

  1. Zwischen Auftrags- und Kostentragungspflicht ist zu unterscheiden (hier: in Auslegung getroffener Vereinbarung zu gestattetem Dachgeschossausbau)
  2. Bei ausschließlich vereinbarter Kostenfreistellung der Wohnungseigentümergemeinschaft ändert dies nichts am Grundsatz gemeinschaftlicher Instandsetzungspflicht
 

Normenkette

§§ 10, 16 WEG

 

Kommentar

  1. Zunächst entspricht es h.M., dass Instandsetzungs- und Instandhaltungspflichten des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung ganz oder teilweise einem einzelnen Wohnungseigentümer aufgebürdet werden können; allerdings muss eine solche Übertragung klar und eindeutig sein; in Zweifelsfällen bleibt es bei gesetzlichen Zuständigkeiten. Durch Auslegung der Teilungserklärung ist im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln, wie weit Pflichten zulasten einzelner Eigentümer reichen, wenn insoweit von der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG abgewichen wurde.

    Nach vorliegendem Wortlaut der Vereinbarung in der Teilungserklärung sollte die klagende Eigentümerin "sämtliche in Zusammenhang mit dem Ausbau/der Sanierung des Dachgeschosses der Wohnung Nr. …. entstehenden Kosten tragen und insoweit die Gemeinschaft von Kosten freihalten". Aus einer solchen Vereinbarung kann in objektiver Auslegung nicht der Schluss gezogen werden, dass der Eigentümerin neben Kostentragungspflichten auch die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht bezüglich des Gemeinschaftseigentums im Bereich des Dachgeschosses überbürdet wurde. Es ging hier nur um Freihaltung der Gemeinschaft von daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen, da es andernfalls einer solchen Sonderregelung nicht bedurft hätte.

  2. Insoweit ist der Rechtsauffassung des Amtsgerichts nicht zu folgen, dass eine solche Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig sei, die einem Wohnungseigentümer Kostenlasten auferlegt, ohne ihm zugleich die Befugnis einzuräumen, nach eigenem Ermessen über Zeitpunkt, Art und Kostenumfang der Maßnahmen zu entscheiden. Vielmehr sind derartige Klauseln grundsätzlich wirksam (vgl. z.B. KG, ZMR 2009 S. 135). Mit einer solchen Regelung ist auch nicht von einer "Entrechtung" der Klägerin auszugehen. Vielmehr liegt es im Interesse aller Eigentümer, die Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Instandsetzung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zu behalten, und zwar unabhängig davon, dass die Eigentümerin die Kosten zu tragen hat. Andernfalls könnten die Eigentümer Instandsetzungen durch Beschluss nicht an sich ziehen und hätten lediglich die Möglichkeit, den betroffenen Eigentümer auf Durchführung von Instandsetzungsarbeiten zu verklagen.
  3. Wird einer betreffenden Eigentümerin einer Dachgeschosswohnung vereinbarungsgemäß auch die Vornahme bestimmter baulicher Veränderungen gestattet und soll sie sämtliche mit dem Ausbau kausal in Zusammenhang stehenden Kosten tragen, bezieht sich dies nach nächstliegendem Sinne der Bedeutung einer solchen Regelung allerdings nicht auf Instandsetzungsmaßnahmen an Teilen des Gemeinschaftseigentums, die gar nicht Gegenstand der von der betreffenden Sondereigentümerin durchgeführten Arbeiten sind/waren. Die Kostenfreistellung zugunsten der Gemeinschaft betrifft lediglich die Bau- bzw. Sanierungsmaßnahmen der Klägerin. Bei Annahme weitergehender Pflichten hätte dies klarer und eindeutiger in der Teilungserklärung geregelt werden müssen. Auf subjektive Vorstellungen der beklagten Eigentümer ist in solchen Auslegungsfragen einer Teilungserklärung nicht abzustellen, ebenso auch nicht auf die Frage, welche Absichten und welchen Willen der Verfasser bei der Erstellung der Gemeinschaftsordnung und bei der Wahl der dabei verwendeten Begriffe hatte.
  4. Die Beklagten hatten vorliegend auch nicht dargetan, dass das Erfordernis zur Durchführung der Instandsetzungsarbeiten gemäß gefasster Beschlüsse in ursächlichem Zusammenhang mit den von der Klägerin durchgeführten Sanierungsarbeiten stand. Hinsichtlich bestimmter, bestehender Schäden am Gemeinschaftseigentum war von Instandsetzungsbedarf auszugehen, der früher oder später ohnehin festgestellt worden wäre.
  5. Existiert in Auslegung einer Vereinbarung hier für eine Klägerin keine Zahlungspflicht allgemeiner Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, war ein die Klägerin weitergehender, belastender Beschluss für ungültig zu erklären; der Gemeinschaft fehlte allein durch Mehrheitsbeschlussfassung die Beschlusskompetenz für im Gesetz nicht vorgesehene Leistungspflichten einzelner Eigentümer, sodass insoweit sogar von Beschlussnichtigkeit auszugehen war.
 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Urteil v. 19.6.2013, 318 S 101/12, ZMR 2013 S. 829

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