Rz. 9

Die Erteilung eines ENZ für Personen, die den gesamten Nachlass oder einen Teil davon erworben haben, setzt voraus, dass die Erbfolge vollständig geklärt wurde. Dem Erben sowie dem Vermächtnisnehmer kann ein ENZ demgemäß erst nach Beendigung des Nachlassverfahrens erteilt werden, d.h. sobald der Nachlassübergabebeschluss (siehe Rdn 285 ff.) in Rechtskraft erwachsen ist.[12] Der betroffene Erbe bzw. Vermächtnisnehmer kann den Antrag auf Erteilung des ENZ natürlich schon früher, während des Nachlassverfahrens, beim Notar einreichen.

 

Rz. 10

Örtlich zuständig für die Erteilung des ENZ ist stets der Notar,[13] der das Nachlassverfahren durchgeführt hat. Über den Antrag auf Erteilung des ENZ entscheidet der Notar durch besonderen Beschluss. Hierbei prüft der Notar natürlich nicht mehr die Erbfolge (wer, was und auf welchen Berufungsgrund hin der Nachlass übergeht), da dies im Nachlassverfahren selbst geklärt wurde. Vielmehr prüft der Notar, ob die Erteilungsvoraussetzungen (Einreichung des Antrags von einem Berechtigten gem. Art. 65 Abs. (1) i.V.m. Art. 63 Abs. (1) EuErbVO; zeitlicher Anwendungsbereich der Verordnung usw.) gemäß der EuErbVO erfüllt sind.

 

Rz. 11

Wird das ENZ für den Erben erteilt, werden i.d.R. die einzelnen Nachlassgegenstände, die der betroffene Erbe vom Nachlass – als Ergebnis des durchgeführten Nachlassverfahrens[14] – erworben hat, in Ziffer 9 der Anlage IV des Zeugnisses aufgelistet,[15] ebenso wie im Nachlassübergabebeschluss, aufgrund dessen das ENZ erteilt wird. Dasselbe gilt entsprechend für das ENZ, das einem Vermächtnisnehmer erteilt wird; in diesem Fall wird das Vermögen, das den Gegenstand des Vindikationslegats bildet, in Ziffer 5 der Anlage V bezeichnet.

 

Rz. 12

Es kommt allerdings vor, dass keine konkrete Nachlassgegenstände im ENZ erwähnt werden, sondern nur der ideelle Anteil des Nachlasses bezeichnet wird (in Ziffer 8 der Anlage IV), der dem betroffenen Erben zusteht.[16] Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser kein (bekanntes) Nachlassvermögen hinterlassen hat, der Erbe jedoch ein ENZ zum Nachweis seiner Rechtsstellung als Erben in einem anderen Mitgliedstaat braucht. In solchen Fällen erlässt der Notar im Nachlassverfahren keinen Nachlassübergabebeschluss, sondern erteilt dem Erben auf Antrag einen Erbschein.[17] Das ENZ kann in diesem Fall dann erteilt werden, sobald der Beschluss über die Erteilung des Erbscheins rechtskräftig wird.[18]

[12] § 102/B. Abs. (1) Hetv.
[13] § 102/B. Abs. (3) Hetv.
[14] In den meisten Fällen schließen die Miterben eine Vereinbarung über die Teilung des Nachlasses noch im Laufe des Nachlassverfahrens (siehe Rdn 293). Im notariellen Nachlassübergabebeschluss werden somit konkrete Nachlassgegenstände den einzelnen Erben übergeben.
[15] ENZ gem. Art. 63 Abs. (2) lit. b) EuErbVO.
[16] ENZ gem. Art. 63 Abs. (2) lit. a) EuErbVO.
[17] Zur Rechtsnatur und Funktion des Erbscheins im ungarischen Recht siehe Rdn 300 ff.
[18] § 102/B. Abs. (1) Hetv.

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