Rz. 159

Der Inhalt der Bedürftigkeit ohne Selbstverschulden ist im Gesetz nicht definiert. Die Bedürftigkeit ist eine objektive Kategorie: Der geschiedene Ehegatte kann sich von seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst nicht unterhalten. Die Erwerbsunfähigkeit kann mehrere Ursachen haben, z.B. Krankheit des geschiedenen Ehegatten, wie auch schwere Krankheit eines gemeinsamen minderjährigen (oder volljährigen) Kindes, das auf ständige Pflege und Aufsicht angewiesen ist. Das Alter an sich begründet noch nicht automatisch die Unterhaltsbedürftigkeit; die Beurteilung der Bedürftigkeit eines alten, das Rentenalter erreichten Ehegatten obliegt dem Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung. Die Bedürftigkeit kann nämlich schon im jüngeren Alter auftreten, wenn der Ehegatte z.B. keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, weil mit einem kleinen Kind zu Hause ist und staatliche Zuwendungen wegen Kindererziehung genießt. Eine derartige Bedürftigkeit ist meistens zeitlich begrenzt. Das Selbstverschulden hat subjektiven Charakter: In welchem Maße dem betroffenen Ehegatten eine Erwerbstätigkeit bzw. Verwertung seines Vermögens zumutbar ist. Im Allgemeinen kann die Verwertung von solchen Vermögensgegenständen nicht erwartet werden, die der Aufrechterhaltung einer gewöhnlichen, nicht verschwenderischen Lebensführung dienen. Demgegenüber kann von einem Unterhaltsberechtigten mit geringem Einkommen, der jedoch wertvolle Vermögensgegenstände besitzt, erwartet werden, dass er alles tut, um selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in begründeten Fällen sogar durch Veräußerung gewisser Vermögensgegenstände (z.B. Immobilien).

 

Rz. 160

Bei Feststellung der Unterhaltsunwürdigkeit sind Verhalten bei Auflösung der Ehe bzw. nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu berücksichtigen. Im ersten Fall misst die Rechtsprechung einem schwer vorwerfbaren Verhalten, das zur Zerrüttung der Ehe geführt hat, große Bedeutung bei. Im zweiten Fall kann zur Feststellung der Unwürdigkeit führen, wenn der geschiedene Ehegatte (oder ein mit ihm zusammen lebender Verwandte) sich grob unbillig verhalten bzw. die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens verletzt hat, sofern die Leistung eines Ehegattenunterhalts für den Verpflichteten nach der allgemeinen gesellschaftlichen Bewertung eine grobe Unbilligkeit darstellen würde.

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