Leitsatz

Bauliche Maßnahmen, die die Nutzung eines bisherigen Speichers zu Wohnzwecken ermöglichen, bedürfen der Zustimmung aller Eigentümer, da der Gebrauch eines Raumes zu Wohnzwecken erheblich intensiver ist als zu sonstigen Zwecken, sodass in diesem gesteigerten Gebrauch eine Beeinträchtigung aller anderen Wohnungseigentümer liegt

 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, Abs. 2, 14 Nr. 1, 23 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer B steht an Speicherräumen über seinem Sondereigentum ein Sondernutzungsrecht zu. Er beantragt, ihm den Ausbau der Speicherräume, insbesondere den Einbau von Dachflächenfenstern sowie die Erweiterung des Treppenlochs von seinem Sondereigentum zu den darüberliegenden Speicherräumen zu genehmigen. Ferner plant er die Errichtung eines Schlafraums, einer Ankleide sowie eines Bades. Die Wohnungseigentümer stimmen mehrheitlich zu.
  2. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. B hält dem entgegen, nach § 7 der Gemeinschaftsordnung genüge ein Mehrheitsbeschluss, wenn Gegenstand des Beschlusses bauliche Veränderungen oder Wertverbesserungen des gemeinschaftlichen Eigentums sind, welche über eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen, aber zur Erhaltung seines Werts und seiner Wirtschaftlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderlich sind bzw. infolge des technischen Fortschritts oder des gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards dringend geraten erscheinen. Ferner verweist B auf einen Umlaufbeschluss. Nach diesem – mehrheitlich zustande gekommenen – Beschluss sei es ihm erlaubt, Dachflächenfenster einzubauen.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg! Gegenstand des Beschlusses sei eine bauliche Veränderung. Er bedürfe der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, da alle Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt seien. Durch die Umbaumaßnahmen würden die Nutzungsmöglichkeiten des Speichers erheblich ausgeweitet werden. Von einer gesteigerten Gebrauchsmöglichkeit ginge immer eine Beeinträchtigung aller anderen Wohnungseigentümer aus (Hinweis auf BayObLG v. 8.7.1993, 2 Z BR 51/93, ZMR 1993 S. 476, 478; OLG Köln v. 12.1.2000, 16 Wx 149/99, ZWE 2000 S. 546, 547). Daran ändere das Sondernutzungsrecht nichts, da dieses lediglich dazu berechtige, den entsprechenden Teil des gemeinschaftlichen Eigentums etwa als Keller oder Speicher zu nutzen, jedoch nicht zu Wohnzwecken (Hinweis auf Merle, in Bärmann, 12. Aufl. 2013, § 22 Rn. 193).
  2. B könne sich auch nicht darauf berufen, K müsse die Arbeiten nach § 7 der Gemeinschaftsordnung dulden. Der Ausbau eines Speichers zu Wohnräumen diene nicht der Erhaltung des Werts bzw. der Wirtschaftlichkeit des gemeinschaftlichen Eigentums. Er komme ausschließlich dem Sondernutzungsberechtigten zugute und verbessere gegebenenfalls dessen wirtschaftliche Situation. Ebenso wenig erscheine es infolge technischen Fortschritts oder gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards dringend geraten, Speicherräume zu Wohnungen auszubauen. Nachdem in einem Speicherraum nicht gewohnt werden dürfe, stelle die Umgestaltung, die eine Wohnraumnutzung grundsätzlich bei typisierender Betrachtungsweise ermögliche, keine Maßnahme dar, die infolge technischen Fortschritts oder gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards als dringend geraten erschiene.
  3. Auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG lägen nicht vor. Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 WEG greife nur ein, wenn die streitgegenständlichen Maßnahmen die Eigenart der Wohnanlage nicht änderten. Der Ausbau von Speicher zu Wohnraum stelle aber eine wesentliche Umgestaltung des inneren Bestands dar (Hinweis unter anderem auf Merle, in Bärmann, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 353).
  4. Auch der Umlaufbeschluss gebe B keine günstigere Rechtsposition. Dieser Beschluss, der sich ohnehin nur auf die Dachflächenfenster beziehe, sei nicht zustande gekommen. Ein Umlaufbeschluss komme nicht zustande, wenn keine einstimmige Zustimmung erfolgt. Die von § 23 Abs. 3 WEG geforderte Allstimmigkeit stelle eine Rechtsvorschrift dar, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden könne, sodass ein Beschluss, bei dem es an der Allstimmigkeit fehle, gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nichtig sei (Hinweis auf BayObLG v. 19.9.2001, 2 Z BR 89/01, ZMR 2002 S. 138; OLG Zweibrücken v. 21.11.2002, 3 W 179/02, ZMR 2004 S. 60).
  5. K verhalte sich schließlich auch nicht "treuwidrig". B behaupte insoweit, K wolle eine "Entschädigung herausschlagen". K sei bereit gewesen, gegen eine Einmalzahlung in Höhe von 10.000 EUR auf die Klage zu verzichten. Diese Argumentation "verfange nicht". Es bestehe kein Anlass, von K zu verlangen, einer Maßnahme zuzustimmen, die seiner Zustimmung bedürfe.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Ausführungen des Landgerichts sind richtig. Der Wohnungseigentümer B bedurfte der Zustimmung von K. Da es an dieser fehlte und K auch nicht treuwidrig handelte, wenn er seine Zustimmung verweigert, durfte B nicht umbauen. Nach den Feststellungen – es heißt immer "Rückbau" – scheint B allerdings gebaut z...

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