Rz. 55

Gehören dem Gesamtbetriebsrat mehr als 40 Mitglieder an, so muss nach § 47 Abs. 4 BetrVG bei Fehlen einer tariflichen Regelung eine über § 47 Abs. 6 BetrVG erzwingbare Betriebsvereinbarung über die Mitgliederzahl im Gesamtbetriebsrat abgeschlossen werden. Durch die hierdurch vorgesehene Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats soll die Arbeitsfähigkeit des Gremiums verbessert werden (BAG, Beschluss v. 25.5.2005, 7 ABR 10/04[1]).

[1] NZA 2006, 215, 218 f.

3.3.1 Voraussetzungen der Pflicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung

 

Rz. 56

§ 47 Abs. 5 BetrVG schreibt die Zusammenfassung von Betriebsräten zur gemeinsamen Entsendung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern bei Überschreiten der Grenze von 40 Mitgliedern zwingend vor. Besteht dagegen eine tarifliche Regelung nach § 47 Abs. 4 BetrVG, so schließt diese den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwingend aus. Die Sperrwirkung des Tarifvertrags gilt auch, wenn die tarifliche Regelung nach § 47 Abs. 4 BetrVG mehr als 40 Mitglieder für den Gesamtbetriebsrat vorsieht.[1]

 

Rz. 57

Die Pflicht zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 47 Abs. 5 BetrVG besteht nur, wenn dem Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG tatsächlich mehr als 40 Mitglieder angehören, die nur abstrakt-rechnerische Möglichkeit der Überschreitung des Schwellenwertes genügt dagegen nicht.[2] Ausreichend ist, dass die Schwelle von 40 Mitgliedern erst nach der Konstituierung des Gesamtbetriebsrats, etwa durch das Hinzukommen neuer Betriebsräte aufgrund einer Umstrukturierung oder aufgrund (zu) später Erfüllung der Entsendepflicht durch einen Betriebsrat[3] durch neu entsandte Mitglieder überschritten wird.

[1] Fitting, 30. Aufl. 2020,§ 47 BetrVG Rz. 67; DKKW/Trittin, § 47 BetrVG Rz. 126; Richardi/Annuß, 16. Aufl. 2018, § 47 BetrVG Rz. 61.
[2] Fitting, 30. Aufl. 2020, § 47 BetrVG Rz. 66; DKKW/Trittin, § 47 BetrVG Rz. 124.
[3] Fitting, 30. Aufl. 2020, § 47 BetrVG Rz. 66.

3.3.2 Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

 

Rz. 58

Zuständig für den Abschluss der Betriebsvereinbarung ist der Gesamtbetriebsrat, der sich zunächst – vor einer möglichen Änderung seiner Mitgliederzahl – mit der nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Mitgliederzahl wirksam konstituiert haben muss[1]. Dagegen kann ein bereits verkleinerter Gesamtbetriebsrat eine solche Betriebsvereinbarung nicht abschließen.[2]

3.3.3 Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung

 

Rz. 59

Fraglich ist, ob die Betriebsvereinbarung nach § 47 Abs. 5 BetrVG eine Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats auf weniger als 40 Mitglieder vorsehen muss. Dies ergibt sich nicht zwingend aus dem Wortlaut. Ziel der Regelung ist zwar, eine Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats zugunsten seiner Funktionsfähigkeit zu ermöglichen, jedoch bleibt es Unternehmer und Gesamtbetriebsrat unbenommen, den Umfang der Verkleinerung festzulegen. Die Betriebspartner müssen sich mit dem Thema Mitgliederzahl und deren mögliche Verringerung beschäftigen, eine nach § 47 Abs. 5 BetrVG abzuschließende Betriebsvereinbarung muss aber nicht zwingend eine Mitgliederzahl von weniger als 40 vorsehen.[1]

 

Rz. 60

In der Betriebsvereinbarung wird bestimmt, dass Betriebsräte mehrerer Betriebe eines Unternehmens, die regional oder durch gleichartige Interessen miteinander verbunden sind, gemeinsam Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden. Eine regionale Verbundenheit kann sich aus der räumlichen Nähe der Betriebe ergeben.[2] Die räumliche Entfernung ist dabei aber nicht das einzige Kriterium.[3]  Es ist auf den Einzelfall abzustimmen, dabei gewinnen auch die Besonderheiten der jeweiligen Unternehmen Bedeutung. Auch die Lage der Betriebe in der gleichen Wirtschaftsregion kann eine regionale Verbundenheit begründen.[4]

 

Rz. 61

Eine Verbundenheit durch gleichartige Interessen kann sich aus gleichen oder verwandten Betriebszwecken, ähnlichen Belegschaftsstrukturen oder gleicher Stellung der Betriebe in der Unternehmensorganisation ergeben.[5]

 

Rz. 62

Die Parteien der Betriebsvereinbarung haben bei der Anwendung der Begriffe "regionale Verbundenheit" und "Verbundenheit durch gleichartige Interessen" einen weiten Beurteilungsspielraum, da es sich dabei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt.[6] Maßgeblich ist, dass die gemeinsame Entsendung die Funktionsfähigkeit des Gesamtbetriebsrats verbessert und somit der wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient.

[3] Hess. LAG, Beschluss v. 5.6.2008, 9 TaBV 44/07, BeckRS 2008, 57687.
[4] MHdB ArbR/Nebendahl, § 300 Rn. 35.
[5] Fitting, § 47 BetrVG 30. Aufl. 2020, Rz. 68; Richardi/Annuß, 16. Aufl. 2018, 47 BetrVG, Rz. 67; DKK/Trittin, § 47 BetrVG Rz. 59.
[6] MHdB ArbR/Nebendahl, § 300 Rn. 35.

3.3.4 Einigungsstellenverfahren

 

Rz. 63

Wenn Unternehmer und Gesamtbetriebsrat sich nicht auf eine Betriebsvereinbarung nach § 47 Abs. 4 BetrVG einigen, entscheidet nach § 47 Abs. 6 BetrVG die Einigungsstelle. Es handelt sich um ein erzwingbares Einigungsstellenverfahren, da der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Unterneh...

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