Rz. 36

Grundsätzlich bindet ein für eine bestimmte Betriebsänderung einmal aufgestellter Sozialplan und kann nicht einseitig von einer Betriebspartei geändert werden. Die Rechtsprechung hat Grundregeln festgelegt, die für die Änderung von Sozialplänen gelten (grundlegend BAG, Beschluss v. 10.8.1994, 10 ABR 61/93).

3.1.7.1 Einvernehmliche Änderung

 

Rz. 37

Dauerregelungen und zeitlich fortlaufende Regelungen können Arbeitgeber und Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung ändern (BAG, Urteil v. 24.3.1981, 1 AZR 805/78; BAG, Beschluss v. 10.8.1994, 10 ABR 61/93). Bei Änderungsvereinbarungen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind die Grenzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BAG, Urteil v. 5.10.2000, 1 AZR 48/00; LAG Niedersachsen, Urteil v. 4.7.2006, 13 Sa 2233/05).

Nach den vorgenannten Grundsätzen hält die Rechtsprechung a. a. O. eine Änderung auch zum Nachteil der Arbeitnehmer für zulässig, wenn

  • die Arbeitnehmer mit einer rückwirkenden Verschlechterung rechnen mussten,
  • die Rechtslage aufgrund der bisherigen Regelung unklar und verworren war,
  • die bisherige Regelung abgelaufen war oder
  • eine Anpassung an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erforderlich ist.[1]
[1] Dazu unten Rz. 41 ff.

3.1.7.2 Kündigung

 

Rz. 38

Im Sozialplan kann vereinbart werden, dass eine ordentliche Kündigung möglich ist.

Ob auch ohne Vereinbarungen eine ordentliche Kündigung möglich ist, ist in der Literatur umstritten. Das BAG lehnt in diesen Fällen ein Kündigungsrecht grundsätzlich ab. Anderes gilt nur, soweit der Sozialplan Dauerregelungen enthält.[1] Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn sich die geplante Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckt, in dem Ansprüche entstehen. Die Rechtsprechung sieht Dauerregeln vielmehr erst dann als gegeben an, wenn ein einmal entstandener wirtschaftlicher Nachteil der Arbeitnehmer nicht durch eine einmalige Leistung, sondern durch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll (BAG, Beschluss v. 10.8.1994, 10 ABR 61/93).

 

Rz. 39

Auch die Berechtigung zu außerordentlichen Kündigungen ist in der Literatur umstritten. Das BAG vertritt den gleichen Standpunkt wie bei der ordentlichen Kündigung. Sie hält sie wohl – ohne Regelung im Sozialplan – nur für Dauerregelungen für zulässig.[2]

 

Rz. 40

Eine (zulässige) Kündigung führt allerdings nicht zum Wegfall des Sozialplans. Wird ein Sozialplan wirksam ordentlich oder außerordentlich gekündigt, wirken seine Regelungen solange nach, bis sie durch neue ersetzt werden (§ 77 Abs. 6 BetrVG).

Bereits vor Wirksamwerden der Kündigung entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer können allerdings nicht beseitigt werden.

[1] A. A. Fitting, §§ 112, 112a BetrVG Rz. 216.
[2] Enger Fitting, §§ 112, 112a BetrVG Rz. 217.

3.1.7.3 Wegfall der Geschäftsgrundlage

 

Rz. 41

Auch für den Sozialplan kann die Geschäftsgrundlage wegfallen mit der Wirkung, dass eine Anpassung vorzunehmen ist (BAG, Beschluss v. 10.8.1994, 10 ABR 61/93). Der Wegfall der Rechtsgrundlage ist in § 313 BGB geregelt. Dessen Voraussetzungen sind auch auf den Sozialplan entsprechend anwendbar.

Voraussetzung für die Anpassung des Sozialplans ist,

  • dass einer Partei unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Festhalten an dem Sozialplan nicht zugemutet werden kann, weil
  • wesentliche Vorstellungen der Betriebsparteien, die zur Grundlage des Sozialplans geworden sind, sich als falsch erweisen (s. § 313 Abs. 2 BGB)
  • oder die Verhältnisse, von denen beide Parteien bei Aufstellung des Sozialplans ausgegangen sind, sich schwerwiegend geändert haben, sich z. B. die wirtschaftliche Lage des Unternehmens aufgrund nicht vorhersehbarer Auftragsrückgänge erheblich verschlechtert.
 

Rz. 42

Liegen die Voraussetzungen vor, müssen die Betriebsparteien versuchen, sich über die Anpassung zu einigen. Gelingt das nicht, entscheidet die Einigungsstelle (BAG, Beschluss v. 10.8.1994, 10 ABR 61/93).[1]

Auch schon entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer können – auch zu ihren Ungunsten – durch die anpassende Regelung geändert werden.

 

Rz. 43

Beispiele für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage:

  • Unerwartete Betriebsübernahme statt einer dem Sozialplan zugrunde liegender Betriebsstilllegung
  • Irrige Vorstellungen über die zur Verfügung stehende Finanzmasse bei Aufstellung des Sozialplans
  • Von Prognose bei Bemessung der Sozialplanleistungen abweichende Entwicklung
  • Mit Betriebsänderung bezweckte Sanierung schlägt fehl.
[1] Fitting, §§ 112, 112a BetrVG Rz. 219.

3.1.7.4 Austausch der Betriebsänderung

 

Rz. 44

Die vorstehenden Ausführungen gelten dann, wenn die Betriebsänderung so wie im Interessenausgleich und Sozialplan vorgesehen durchgeführt wird.

Kommt es dagegen zu Abweichungen – z. B. weil der Betrieb nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, nur teilweise, sondern ganz stillgelegt wird – kann jede Partei verlangen, dass ein neuer Sozialplan aufgestellt wird.

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