Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung von Sozialplänen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Betriebspartner können einen Sozialplan jederzeit einvernehmlich mit Wirkung für die Zukunft abändern.

2. Ein für eine bestimmte Betriebsänderung vereinbarter Sozialplan kann, soweit nichts Gegenteiliges vereinbart ist, nicht ordentlich gekündigt werden. Anderes kann für Dauerregelungen in einem Sozialplan gelten, wobei Dauerregelungen nur solche Bestimmungen sind, nach denen ein bestimmter wirtschaftlicher Nachteil durch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll.

3. Ob ein Sozialplan insgesamt oder hinsichtlich seiner Dauerregelungen außerordentlich gekündigt werden kann, bleibt unentschieden.

4. Im Falle einer zulässigen ordentlichen und auch außerordentlichen Kündigung eines Sozialplanes wirken seine Regelungen nach, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt werden. Die ersetzende Regelung kann Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor dem Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind, nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abändern. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer auf Grund bestimmter Umstände nicht mehr auf den unveränderten Fortbestand des Sozialplanes vertrauen konnten.

5. Ist die Geschäftsgrundlage eines Sozialplanes weggefallen und ist einem Betriebspartner das Festhalten am Sozialplan mit dem bisherigen Inhalt nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten, so können die Betriebspartner die Regelungen des Sozialplanes den veränderten tatsächlichen Umständen anpassen. Verweigert der andere Betriebspartner die Anpassung, entscheidet

die Einigungsstelle verbindlich. 6. Die anpassende Regelung kann auf Grund des anzupassenden Sozialplanes schon entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auch zu deren Ungunsten abändern. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz.

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 25.08.1993; Aktenzeichen 5 TaBV 4/93)

ArbG Dessau (Entscheidung vom 10.03.1993; Aktenzeichen 11 BV 3/92)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit bzw. Geltungsdauer zweier Sozialpläne.

Antragstellerin ist die Arbeitgeberin, welche früher unter dem Namen Filmfabrik W firmierte. Sie schloß am 14./19. März 1991 mit den Betriebsräten ihres Unternehmens wegen eines geplanten Personalabbaus einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab.

Dieser Sozialplan enthält u. a. folgende Bestimmungen:

"...

2. Geltungsdauer

2.1. Der Sozialplan wird befristet bis 31.12.1993 vereinbart und gilt ab 20.03.1991.

...

2.3. Einzelne Bestimmungen des Sozialplans können in beiderseitigem Einvernehmen außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden. Sie gelten als sofort außer Kraft gesetzt, wenn aufgrund erlassener Gesetze oder Tarifabschlüsse günstigere Bedingungen für die Arbeitnehmer bestehen.

...

3.1. Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Filmfabrik W , deren Arbeitsverhältnis mindestens 12 Monate besteht und denen nach dem 1.1.91 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wurde.

...

5.1. Entfallen durch Rationalisierungsmaßnahmen, Umstrukturierungen oder sonstige betriebsbedingte Gründe Arbeitsplätze, so werden den betroffenen Arbeitnehmern nach Möglichkeit andere zumutbare Arbeitsplätze angeboten.

...

5.4. Kann das Unternehmen einem entsprechend Pkt. 5.1. betroffenen Arbeitnehmer keinen zumutbaren Arbeitsplatz anbieten und muß dem Arbeitnehmer gekündigt werden, so erhält er eine Abfindung. Die Höhe der Abfindungen wird nach folgender Formel berechnet:

(2)

Abfindungs- Monatsbrutto- (3)

betrag = einkommen X Dienstjahre

____________________________

4

..."

Dieser Sozialplan betrifft insgesamt 7.397 gekündigte Arbeitnehmer. Für die Leistungen aus ihm entstünde ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 66.055.210,-- DM.

Mit Schreiben vom 4. Juni 1991 teilte die Arbeitgeberin ihren Betriebsräten folgendes mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren, der am 19.O3.1991 durch Unterschrift der Be- triebsräte und des Vorstandes der Filmfabrik W in Kraft gesetzte Sozialplan wird seitens der Unternehmensleitung mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt.

Begründung:

1. Das dem Interessenausgleich vom 19.03.1991 zu- grundegelegte Personalkonzept konnte aus Grün- den, die die Beteiligten nicht zu vertreten haben, nicht realisiert werden. Die daraus entstandene zusätzliche finanzielle Belastung für das Unternehmen und die Veränderungen im Unternehmenskonzept erfüllen den Tatbestand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Bezug auf den Sozialplan.

2. Die im Sozialplan getroffenen Vereinbarungen gefährden aus derzeitiger Sicht das Unterneh- men insgesamt und damit auch den Fortbestand von Arbeitsplätzen. Die Aufrechterhaltung der Vereinbarung wäre wirtschaftlich nicht ver- tretbar; ihre Beendigung stützt sich auf eine entsprechende Auslegung des § 112 Abs. 5 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz.

3. Gemäß der Richtlinie zu Sozialplänen, heraus- gegeben von der Treuhandanstalt, werden zweck- gebunden finanzielle Mittel zur Verbesserung der sozialen Situation der von Entlassung be- troffenen Arbeitnehmer bereitgestellt. Das be- trifft insbesondere Abfindungen. Die Einhaltung der von der Treuhandanstalt vorgegebenen Bedingungen ist eine Vorausset- zung für die Gewährung gegenüber dem Unterneh- men. In der gemeinsamen Erklärung von Treu- handanstalt, DGB und DAG vom 13.04.1991 wird in diesem Fall ein Volumenwert von 5.000,00 DM je betroffenen Arbeitnehmer festgelegt. Damit sind die zwischen den Betriebsräten und dem Vorstand vereinbarten Abfindungsbeträge nicht realisierbar.

4. Dem Grundsatz entsprechend, daß eine Betriebs- vereinbarung durch eine neue zum Regelungsbe- treff ersetzt werden muß, wird vorgeschlagen, im Interesse der Rechtssicherheit den beige- fügten Text zu unterzeichnen."

Nachdem am 17. September 1991 eine Ergänzung des Interessenausgleichs vom 14./19. März 1991 vereinbart worden war, die eine Erhöhung der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer vorsah, kam es am 1. November 1991 zum Abschluß eines neuen Sozialplans, der - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt lautet:

"2. Geltungsdauer

2.1. Der Sozialplan wird mit Unterzeichnung wirksam. Er kann von jedem der beiden Ver- tragspartner zu jedem Quartalsende gekün- digt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform, die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate; bis zum Inkrafttreten eines neuen Sozialplanes bleibt der vereinbarte aber wirksam.

...

3. Geltungsbereich

3.1. Diese Vereinbarung gilt für Arbeitnehmer der Filmfabrik W ,

* die nicht selbst eine Kündigung des Ar- beitsverhältnisses ausgesprochen haben bzw. nicht selbst den Abschluß eines Aufhebungsvertrages beantragten, es sei denn, daß der Aufhebungsvertrag die Inanspruchnahme des AüG oder den Übergang in ABM zum Ziel hat.

* die nicht unter Vertragsbruch aus dem Unternehmen ausschieden

* denen nicht verhaltensbedingt gekündigt wurde.

3.2. Sie gilt mit Ausnahme der Punkte 6. und 10. nicht für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Entlassung Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Altersrente) beanspruchen können oder seit 1990 Vorruhestandsgeld erhalten.

4. Abfindungszahlungen

...

4.1.1. Die Unternehmensleitung sichert Arbeitnehmern, denen im Zeitraum 1.4.1991 bis 31.12.1991 eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wurde, Arbeitnehmern, die wegen der Möglichkeit einer Inanspruchnahme von AüG im gleichen Zeitraum einen Aufhebungsvertrag abschlossen oder denen deshalb betriebsbedingt gekündigt wurde und Invalidenrentnern, die in der Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.1991 aus dem Unternehmen ausschieden, 100 % der in Punkt 4.2. dieser Betriebsvereinbarung spezifizierten Abfindung zu.

4.1.2. Arbeitnehmer, die in der Zeit vom 1.4.1991 bis 31.12.1991 in eine ABM überwechseln bzw. überwechselten erhalten 60 % der in Punkt 4.2. spezifizierten Abfindung - unabhängig davon, ob sie mit einem Aufhebungsvertrag in ABM überführt wurden oder ob zwischen Beendigung des AV mit der Filmfabrik W und Aufnahme der Tätigkeit in ABM 1 Arbeitstag Arbeitslosigkeit lag.

Arbeitnehmern, die im Zeitraum 1.1.1991 bis 31.03.1991 in ABM überwechselten, er- halten 60 % eines Abfindungsbetrages

Monatsbrutto- X Dienst-

= verdienst jahre

_____________________________

4

zugesichert.

4.1.3. Arbeitnehmern, denen im Zeitraum 1.1.1991 bis 31.3.1991 betriebsbedingt gekündigt wurde und Arbeitnehmern, die im gleichen Zeitraum zur Inanspruchnahme von AüG einen Aufhebungsvertrag abschlossen, bzw. denen deswegen betriebsbedingt gekündigt wurde, garantiert die Unternehmensleitung eine wie folgt berechnete Abfindung

Abfindungsbetrag = Monatsbrutto- X Dienst-

verdienst jahre

________________________

4

4.2. Höhe der einmaligen Abfindung

- unter 5 Jahren Betriebs- 0,50 Monats- zugehörigkeit unabhängig brutttover- vom Alter bzw. vor Vollen- dienste dung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Betriebs- zugehörigkeit

- nach Vollendung des 1,0 Monats- 25. Lebensjahres und bruttover- 5 Jahren Betriebszuge- dienst hörigkeit

- nach Vollendung des 1,3 Monats- 30. Lebensjahres und bruttover- 10 Jahren Betriebszuge- dienste hörigkeit

- nach Vollendung des 2,3 Monats- 40. Lebensjahres und bruttover- 10 Jahren Betriebszuge- dienste hörigkeit

- nach Vollendung des 3,3 Monats- 45. Lebensjahres und bruttover- 15 Jahren Betriebszuge- dienste hörigkeit

-- nach Vollendung des 4,3 Monats- 50. Lebensjahres und bruttover- 20 Jahren Betriebszuge- dienste gehörigkeit

- nach Vollendung des 5,3 Monats- 55. Lebensjahres und bruttover- 25 Jahren Betriebszuge- dienste hörigkeit

- nach Vollendung des 6,0 Monats- 60. Lebensjahres und bruttover- 25 Jahren Betriebszuge- dienste gehörigkeit

..."

Der Finanzierungsbedarf für diesen zweiten Sozialplan beträgt 41.726.477,-- DM und ist somit um 24.328.733,-- DM geringer als derjenige für den ersten Sozialplan.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die Betriebsparteien hätten durch den Sozialplan vom 1. November 1991 und die darin vereinbarte Rückwirkung desselben den Sozialplan vom 14./19. März 1991 einvernehmlich aufgehoben bzw. abgeändert. Außerdem sei der erste Sozialplan bereits durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 4. Juni 1991 mit sofortiger Wirkung außer Kraft getreten. Erst durch die gemeinsame Erklärung von Treuhandanstalt, DGB und DAG vom 13. April 1991 sei klar geworden, daß die Treuhandanstalt in Fällen, in denen die Sozialplanleistungen durch die Unternehmen selbst nicht sichergestellt werden könnten, nur ein wesentlich geringeres Sozialplanvolumen finanzieren werde.

Deshalb sei sie gezwungen gewesen, den ersten Sozialplan fristlos zu kündigen und mit Rückwirkung ab 1. April 1991 einen abändernden zweiten Sozialplan mit einem geringeren Finanzvolumen zu vereinbaren. Hätte sie alle Ansprüche aus dem ersten Sozialplan erfüllen müssen, hätte sich eine Deckungslücke von 29.070.210,-- DM ergeben, da die Treuhandanstalt nur eine Zweckzuwendung in Höhe von 36.985.000,-- DM gewährt hätte, das Sozialplanvolumen aber 66.055.210,-- DM betragen hätte.

Auf Grund ihres negativen Betriebsergebnisses (1. Januar bis 30. Juni 1991: 91.815.000,-- DM Verlust) hätte sie diese Sozialplanansprüche nicht befriedigen können und wäre gezwungen gewesen, Gesamtvollstreckungsantrag zu stellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. festzustellen, daß die fristlose Kündigung vom 4. Juni 1991 des Sozialplanes vom 14. März 1991 wirksam ist;

2. festzustellen, daß für den Fall der wirksamen fristlosen Kündigung der Sozialplan vom 14. März 1991 nicht über den Zeitpunkt seiner Kündigung nachwirkt;

3. festzustellen, daß der Sozialplan vom 1. No- vember 1991 den Sozialplan vom 14. März 1991 ab 1. April 1991, hilfsweise ab 4. Juni 1991, ersetzt hat.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Betriebsräte, die den zweiten Sozialplan am 1. November 1991 abgeschlossen hätten, seien zunächst damit einverstanden gewesen, diesen ab 1. April 1991 rückwirkend in Kraft zu setzen und damit den ersten Sozialplan vom 14./19. März 1991 einvernehmlich rückwirkend zu ändern. Der zweite Sozialplan sei aus einem gewissen Regelungs- und Fürsorgebedürfnis der Betriebsräte zustandegekommen. Im Ergebnis könne dieser aber keine Rechtswirkungen entfalten, weil er in erworbene Rechte der betroffenen Arbeitnehmer eingreife. Die Arbeitgeberin sei auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur außerordentlichen Kündigung des ersten Sozialplans berechtigt gewesen, da ein solcher Wegfall nicht vorliege.

Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Deren Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Arbeitgeberin ihr Feststellungsbegehren weiter. In der Anhörung vor dem Senat hat sie klargestellt, daß sie den Antrag zu 3) als Haupt- und die Anträge zu 1) und 2) zusammen als Hilfsanträge stellen wolle. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnten die Feststellungsanträge der Arbeitgeberin nicht zurückgewiesen werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluß ausgeführt, der Antrag zu 1) sei unbegründet. Zwar könnten Sozialpläne in engen Grenzen fristlos gekündigt werden, es müsse jedoch geprüft werden, ob für die Kündigung der nach dem 4. Juni 1991 auf Grund des ersten Sozialplans entstandenen Sozialplanansprüche ein wichtiger Grund bestehe, der die Erfüllung gerade dieser Ansprüche unzumutbar mache. Dies sei etwa dann der Fall, wenn sich die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens derart existenzbedrohend entwickelt habe, wie das bei Abschluß des Sozialplans keinem der Beteiligten vorhersehbar gewesen sei. Solche Umstände lägen im zu entscheidenden Falle jedoch nicht vor.

Die fristlose Kündigung sei auch nicht deshalb wirksam, weil die Geschäftsgrundlage für den ersten Sozialplan entfallen sei. Als Geschäftsgrundlage komme alleine die Vorstellung der Antragstellerin in Betracht, die Treuhandanstalt werde den Sozialplan finanzieren. Dadurch, daß sich diese Vorstellung möglicherweise als irrig erwiesen habe, sei die Geschäftsgrundlage des Sozialplans nicht entfallen.

Den Antrag zu 2) hat das Landesarbeitsgericht als gegenstandslos betrachtet, weil er in der Form eines uneigentlichen Hilfsantrages für den Fall gestellt worden sei, daß dem Antrag zu 1) stattgegeben werde.

Der Antrag zu 3) sei ebenfalls unbegründet. Der Sozialplan vom 1. November 1991 könnte den Sozialplan vom 14./19. März 1991 nur dann ab 1. April 1991 ersetzen, wenn feststünde, daß kein Arbeitnehmer nach dem 1. April 1991 einen Abfindungsanspruch nach dem ersten Sozialplan erworben hätte. Dies sei aber nicht der Fall. Ein später abgeschlossener Sozialplan, der dieselbe sozialplanpflichtige Maßnahme wie ein früher abgeschlossener betreffe, könne den früheren Sozialplan nämlich nicht rückwirkend ablösen oder abändern mit der Folge, daß bereits entstandene Abfindungsansprüche nur nach Maßgabe des späteren Sozialplans bestünden.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht folgen.

1. Der Sozialplan vom 14./19. März 1991 ist durch den Sozialplan vom 1. November 1991 mit Wirkung ab 1. April 1991 aufgehoben worden.

Eine ausdrückliche Aufhebung des ersten Sozialplans ist im zweiten Sozialplan nicht ausgesprochen worden. Es ist aber zwischen den Beteiligten unstreitig, daß es Wille der Sozialplanparteien gewesen ist, durch den zweiten Sozialplan die Regelungen des ersten Sozialplans ab dem 1. April 1991 zu ändern. Diese von den Beteiligten im Beschlußverfahren vorgetragene Absicht kommt im zweiten Sozialplan auch erkennbar dadurch zum Ausdruck, daß in dessen Ziff. 4. für alle Arbeitnehmer, die ab dem 1. April 1991 aus dem Betrieb aus betrieblichen Gründen ausgeschieden sind, andere Abfindungsregelungen vorgesehen sind, als dies im ersten Sozialplan der Fall gewesen ist.

Die Aufhebung einer Betriebsvereinbarung kann auch durch eine neue Betriebsvereinbarung erfolgen, die dieselbe Angelegenheit wie eine frühere Betriebsvereinbarung regelt, ohne die Aufhebung dieser älteren Betriebsvereinbarung ausdrücklich zu erklären (MünchHandbuch zum Arbeitsrecht, § 319 Rz 36).

2. Haben die Betriebspartner eine Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung geregelt, so können sie diese Betriebsvereinbarung auch einvernehmlich aufheben und dieselbe Angelegenheit durch eine neue Betriebsvereinbarung regeln. Die neue Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle der früheren und löst diese ab. Im Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Betriebsvereinbarungen gilt das Ablösungsprinzip. Das gilt auch dann, wenn die neue Regelung für die Arbeitnehmer ungünstiger ist als die frühere (vgl. zuletzt BAG - Großer Senat - Beschluß vom 16. September 1986, BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972).

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die neue Betriebsvereinbarung in Ansprüche der Arbeitnehmer, die schon auf der Grundlage der früheren Betriebsvereinbarung entstanden sind, eingreifen darf, indem sie diese schmälert oder ganz entfallen läßt. Das wird im Schrifttum durchweg verneint oder nur unter besonderen Voraussetzungen, insbesondere unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, für zulässig gehalten (Kreuz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 168, 279, 280; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 77 Rz 38; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 57; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 12). Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß eine nachfolgende Betriebsvereinbarung die durch eine frühere Betriebsvereinbarung begründeten Rechte der Arbeitnehmer - besonders im Hinblick auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - nicht schrankenlos schmälern darf, sondern daß die Betriebspartner schon von Verfassungs wegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachten müssen, wenn sie in Besitzstände der betroffenen Arbeitnehmer eingreifen (zuletzt BAG Urteil vom 23. Oktober 1990, BAGE 66, 145 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, m.w.N.).

Ob diese für Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entwickelten Rechtsgrundsätze für alle Betriebsvereinbarungen gelten, kann dahinstehen. Jedenfalls in Ansprüche der Arbeitnehmer, die auf der Grundlage eines Sozialplans bereits entstanden sind, können die Betriebspartner zu deren Lasten nur dann eingreifen, wenn die Geschäftsgrundlage des Sozialplans weggefallen ist und die Betriebspartner daher zur Anpassung der Sozialplanregelungen an die veränderten tatsächlichen Umstände berechtigt sind (siehe unter 3 c).

3. Die Regelungen eines Sozialplans zu ändern, ist auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Rechtsfolgen möglich.

a) Nach § 112 Abs. 1 BetrVG hat der Sozialplan die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. Er ist eine Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 BetrVG (BAG Urteil vom 24. März 1981, BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972), so daß für ihn auch die Vorschriften des § 77 Abs. 5 und 6 BetrVG gelten.

Daraus folgt zunächst, daß die Betriebspartner einen abgeschlossenen Sozialplan einvernehmlich aufheben und mit Wirkung für die Zukunft durch einen neuen Sozialplan ersetzen können (BAG Urteil vom 24. März 1981, BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972). In Ansprüche der Arbeitnehmer, die bereits auf der Grundlage des aufgehobenen Sozialplans entstanden sind, kann durch die neue Regelung jedoch nicht zu Lasten der Arbeitnehmer eingegriffen werden. Auch wenn für Betriebsvereinbarungen rückwirkende Änderungen zu Lasten der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig gehalten werden (siehe oben unter II 2), kann dies nach Ansicht des Senats für einen Sozialplan nicht gelten.

Zweck des von den Betriebspartnern anzustrebenden Interessenausgleichs und des zu vereinbarenden Sozialplans ist es, eine geplante und nach den Interessen des Arbeitgebers notwendige Betriebsänderung so zu gestalten, daß möglichst keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitnehmer entstehen und gleichwohl entstehende wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden. Arbeitnehmer, die von einer Betriebsänderung betroffen werden, nehmen diese Betroffenheit nicht nur im Hinblick auf die Notwendigkeit der Betriebsänderung und die Betriebsbedingtheit der sie betreffenden Maßnahmen, sondern auch im Hinblick auf die für sie festgelegten Sozialplanansprüche hin. Sinn der Sozialplanleistungen ist es aus der Sicht des Arbeitgebers auch, gerade diese Akzeptanz der Betriebsänderung zu fördern, um diese möglichst störungsfrei durchführen zu können. Ist dem Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung durch Kündigung, Versetzung oder auf andere Weise ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden und hat er diesen im Hinblick auf die dafür vorgesehenen Sozialplanleistungen hingenommen, hat er die entsprechende Erwartung des Arbeitgebers erfüllt. Der Arbeitgeber - und auch der Betriebsrat - können diese Erwartungen des Arbeitnehmers nicht dadurch enttäuschen, daß sie durch einen neuen Sozialplan die für die bereits entstandenen wirtschaftlichen Nachteile vorgesehenen Sozialplanleistungen zu Lasten des Arbeitnehmers aufheben oder kürzen.

Im vorliegenden Fall haben die Betriebspartner am 1. November 1991 einen neuen Sozialplan vereinbart. Dazu waren sie berechtigt. Allein der Umstand, daß sie beide - gleich aus welchen Gründen - bereit waren, die Regelungen des Sozialplans vom März 1991 durch einen neuen Sozialplan zu ersetzen, berechtigte sie jedoch nicht, die auf der Grundlage des ersten Sozialplans bereits entstandenen Ansprüche der Arbeitnehmer - hier auf Zahlung einer Abfindung - zu kürzen, dazu bedarf es eines weiteren Rechtsgrundes (vgl. unter c).

b) Die Arbeitgeberin hat den ersten Sozialplan am 4. Juni 1991 außerordentlich gekündigt. Wäre diese fristlose Kündigung wirksam, könnte sich für die Betriebspartner die Möglichkeit eröffnen, jedenfalls für diejenigen Arbeitnehmer, die nach dem 4. Juni 1991 infolge der Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile erleiden, indem sie etwa nach diesem Zeitpunkt entlassen werden, die Ansprüche auf Sozialplanleistungen geringer zu bemessen, als sie auf Grund des ersten Sozialplans gegeben wären.

Ob ein Sozialplan ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden kann, ist umstritten. Überwiegend wird die ordentliche Kündigung eines Sozialplans, soweit er Dauerregelungen enthält, in Anwendung von § 77 Abs. 5 BetrVG für möglich erachtet (vgl. die Nachweise in BAG Urteil vom 24. März 1981, BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG). Ein Sozialplan enthält aber nicht schon deswegen Dauerregelungen, weil sich die geplante Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckt und im Laufe dieses Zeitraumes immer wieder neue Ansprüche der durch die Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer entstehen. Dauerregelungen in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn ein einmal entstandener wirtschaftlicher Nachteil der Arbeitnehmer nicht durch eine einmalige Leistung, sondern durch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll.

aa) Für einen Sozialplan können die Betriebspartner vereinbaren, daß dieser unter Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, gleichgültig ob dieser Dauerregelungen im genannten Sinne enthält oder nicht. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, scheidet eine ordentliche Kündigung eines Sozialplans - jedenfalls soweit er keine Dauerregelungen enthält - aus.

Zweck des Sozialplans ist es, den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile der Arbeitnehmer infolge einer bestimmten Betriebsänderung zu regeln. Er bezieht sich auf ein einmaliges Geschehen, indem er gewissermaßen das "soziale Entgelt" des Arbeitgebers dafür festlegt, daß seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit für die Betriebsänderung unangetastet bleibt (Fabricius, GK-BetrVG, 4. Aufl., §§ 112, 112 a Anm. 74). Dieser Inhalt und dieser Zweck eines Sozialplans müssen als "andere Vereinbarung" im Sinne des § 77 Abs. 6 BetrVG betrachtet werden mit der Folge, daß ein Sozialplan dann unkündbar ist, wenn die Betriebspartner dessen Kündbarkeit nicht ausdrücklich vereinbart haben. Ob dies auch hinsichtlich solcher Regelungen eines Sozialplans gilt, die Dauerwirkung im dargelegten Sinn haben, kann hier dahinstehen. Anderes mag auch für den sog. "vorsorglichen Sozialplan" gelten. Dieser bezieht sich nicht auf eine konkrete Betriebsänderung, sondern auf alle möglichen Betriebsänderungen während seiner Geltungsdauer. Damit entfällt für ihn der Grund für die Annahme, daß ein Sozialplan ordentlich nicht kündbar ist, wenn die Betriebspartner die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht vereinbaren.

bb) Soweit die ordentliche Kündigung eines Sozialplans zulässig ist, führt diese selbst nicht zum Wegfall der getroffenen Regelung, beseitigt diese vor allen Dingen nicht für die Vergangenheit. Da - von den Fällen des § 112 a BetrVG abgesehen - die fehlende Einigung der Betriebspartner über den Sozialplan nach § 112 Abs. 4 BetrVG durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt werden kann, gelten seine Regelungen nach § 77 Abs. 6 BetrVG weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (so auch BAG Urteil vom 24. März 1981, BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972). Kommt die neue Regelung vor Ablauf der Kündigungsfrist zustande, kann sie für die Arbeitnehmer, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von der Betriebsänderung betroffen werden, auch Regelungen enthalten, die gegenüber der früheren Regelung ungünstiger sind.

Gleiches gilt aber auch für den Fall, daß die Betriebspartner sich auf einen neuen Sozialplan erst nach Ablauf der Kündigungsfrist einigen. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG können die nachwirkenden Regelungen durch die neue Abmachung "ersetzt" werden. Die neue Abmachung kann daher an die Stelle der nachwirkenden Regelung treten, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie vereinbart wird. Arbeitnehmer, die nach Ablauf der Kündigungsfrist von einer Betriebsänderung betroffen werden und wirtschaftliche Nachteile erleiden, erhalten auf Grund des nur nachwirkenden ersten Sozialplans nur Ansprüche, die von vornherein unter dem Vorbehalt stehen, daß diese durch den neuen Sozialplan - auch zu ihren Lasten - ersetzt, d. h. auch zu ihren Lasten geändert werden können.

Im vorliegenden Fall haben die Betriebspartner für den ersten Sozialplan eine Kündigungsmöglichkeit nicht vereinbart, diesen vielmehr auf den 31. Dezember 1993 befristet abgeschlossen. Die Kündigung der Arbeitgeberin vom 4. Juni 1991 konnte daher als ordentliche Kündigung nicht zur Beendigung des ersten Sozialplans und damit zu der Möglichkeit führen, wenigstens für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist, die für eine ordentliche Kündigung nach § 77 Abs. 5 BetrVG drei Monate beträgt, einen neuen Sozialplan zu vereinbaren.

cc) Die Arbeitgeberin hat den ersten Sozialplan am 4. Juni 1991 außerordentlich gekündigt. Auch die Frage, ob ein Sozialplan außerordentlich gekündigt werden kann, ist ebenso wie die Frage nach einer außerordentlichen Kündigung einer sonstigen Betriebsvereinbarung umstritten. Der Grundsatz, daß jedes Dauerschuldverhältnis außerordentlich dann gekündigt werden kann, wenn dem kündigenden Vertragspartner das Festhalten am Vertrag unzumutbar geworden ist, kann für einen Sozialplan Geltung allenfalls insoweit beanspruchen, als der Sozialplan Dauerregelungen im dargelegten Sinne enthält. Ist das nicht der Fall, regelt der Sozialplan ein einmaliges Austauschverhältnis, dessen außerordentliche Kündbarkeit mit diesem Grundsatz nicht gerechtfertigt werden kann. Von daher spricht viel für die Annahme, daß ein Sozialplan, der für die anläßlich einer bestimmten Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer die Zahlung von Abfindungen regelt, nicht außerordentlich gekündigt werden kann.

Der Senat braucht diese Frage im vorliegenden Fall nicht abschließend zu entscheiden, er kann zugunsten der Arbeitgeberin davon ausgehen, daß ein Sozialplan wie der vom März 1991 außerordentlich gekündigt werden könnte.

dd) Auch eine außerordentliche Kündigung eines Sozialplans führt für sich allein nicht zum Wegfall der im Sozialplan enthaltenen Regelung, weder für die Zukunft und erst recht nicht für die Vergangenheit. Auch die Regelungen eines außerordentlich kündbaren Sozialplans wirken nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt werden. Der wichtige Grund, der es dem kündigenden Betriebspartner unzumutbar macht, an der Betriebsvereinbarung festzuhalten, führt lediglich zur Beseitigung der Bindung an die Betriebsvereinbarung für die vereinbarte Zeit, macht aber die Betriebsvereinbarung selbst nicht unwirksam, so daß ihre Regelungen nachwirken können, bis sie durch eine neue Abmachung ersetzt werden (MünchHdb-ArbR Matthes, § 319 Rz 52). Hinsichtlich der zeitlichen Wirkung der neuen Regelung, die die durch die außerordentliche Kündigung beendete frühere Regelung ersetzen soll, gilt das gleiche, wie im Falle einer ordentlichen Kündigung.

Im Falle einer zulässigen und begründeten außerordentlichen Kündigung des ersten Sozialplans durch die Arbeitgeberin könnten daher im Sozialplan vom 1. November 1991 ungünstigere Regelungen für alle Arbeitnehmer getroffen werden, die nach dem 4. Juni 1991 von der Betriebsänderung betroffen werden und einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden.

ee) Die von der Arbeitgeberin am 4. Juni 1991 ausgesprochene außerordentliche Kündigung hat jedoch den ersten Sozialplan nicht beendet, sie ist als außerordentliche Kündigung unwirksam.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung der außerordentlichen Kündigung lediglich geltend gemacht, daß sie nicht in der Lage sei, die im ersten Sozialplan vereinbarten Leistungen für die betroffenen Arbeitnehmer zu bezahlen, da die erforderlichen Mittel nicht - wie erwartet - von der Treuhandanstalt zur Verfügung gestellt werden. Der Umstand, daß die Arbeitgeberin keine Geldmittel zur Verfügung hat, um die vereinbarten Sozialplanleistungen zu erfüllen, stellt für sich betrachtet keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Sozialplans dar. Von einem Vertrag kann sich ein Vertragspartner nicht einseitig mit der Begründung lösen, er habe keine finanziellen Mittel (mehr), um die vereinbarte Leistung zu erbringen. Der Schuldner einer Geldschuld hat für seine Leistungsunfähigkeit auch ohne Verschulden einzustehen (BGHZ 63, 139).

ff) Die Tatsache allein, daß die Arbeitgeberin am 4. Juni 1991 den ersten Sozialplan außerordentlich - wenn auch unbegründet - gekündigt hat, berechtigte die Betriebspartner nicht, im neuen Sozialplan eine ungünstigere Regelung auch für diejenigen Arbeitnehmer zu vereinbaren, die in der Zeit zwischen dem 4. Juni 1991 und dem 1. November 1991 von der Betriebsänderung betroffen worden sind und wirtschaftliche Nachteile erlitten haben. Die Überlegung der Arbeitgeberin, jedenfalls vom 4. Juni 1991 an hätten die Arbeitnehmer nicht mehr darauf vertrauen können, daß ihnen Ansprüche auf Sozialplanleistungen nach dem ersten Sozialplan erwachsen würden, wenn sie von der Betriebsänderung betroffen würden, rechtfertigen eine solche Befugnis nicht. Ansprüche auf Leistungen nach dem ersten Sozialplan entstanden für die von diesem Sozialplan erfaßten Arbeitnehmer so lange, wie der erste Sozialplan als gültige Vereinbarung der Betriebspartner Bestand hatte und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer in die Gültigkeit der Regelung vertrauten oder vertrauen durften. Wollte man darauf abstellen, ob die Arbeitnehmer noch auf die Gültigkeit des Sozialplans vertrauen durften, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, sich die Möglichkeit auch zu einer rückwirkenden Änderung der Sozialplanansprüche allein dadurch zu schaffen, daß er alsbald nach Abschluß des ersten Sozialplans mehr oder weniger überzeugend Zweifel an der Gültigkeit des Sozialplans weckt.

Auch bliebe zu entscheiden, ob das Vertrauen der Arbeitnehmer, d. h. aller Arbeitnehmer, in den unveränderten Fortbestand des Sozialplans schon allein dadurch erschüttert werden kann, daß der Arbeitgeber den Sozialplan gegenüber dem Betriebsrat außerordentlich kündigt, oder ob nicht für jeden einzelnen Arbeitnehmer darauf abgestellt werden müßte, ob und gegebenenfalls ab wann sein Vertrauen in den Fortbestand der Regelung erschüttert worden ist.

c) Die Arbeitgeberin hat mit der Kündigung des Sozialplans vom März 1991 auch geltend gemacht, die Geschäftsgrundlage dieses Sozialplans sei weggefallen. Beide Betriebspartner seien bei der Vereinbarung des Sozialplans davon ausgegangen, daß die erforderlichen finanziellen Mittel von der Treuhandanstalt zur Verfügung gestellt würden. Mit der Verabschiedung der gemeinsamen Richtlinien der Treuhandanstalt, des DGB und der DAG vom 13. April 1991 habe jedoch festgestanden, daß angesichts des vereinbarten Sozialplanvolumens Mittel der Treuhandanstalt entweder überhaupt nicht oder allenfalls in Höhe des zulässigen Volumens zu erwarten seien. Auch wenn Mittel in Höhe des zulässigen Volumens zur Verfügung gestellt würden - ob das geschehen ist, steht nicht fest -, bliebe ein Restbetrag von rund 29 Mio. DM, den aufzubringen sie nicht in der Lage sei, so daß sie einen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens hätte stellen müssen, wodurch der Fortbestand des Unternehmens und damit auch weiterer Arbeitsplätze gefährdet worden wäre.

Dieses Vorbringen ist geeignet, für die Betriebspartner die Befugnis zu begründen, die Regelungen des ersten Sozialplans auch mit Wirkung und zu Lasten derjenigen Arbeitnehmer abzuändern, die vor dem 1. November 1991 von der Betriebsänderung betroffen worden sind und Ansprüche auf Sozialplanleistungen nach dem ersten Sozialplan erworben haben.

aa) Auch für Betriebsvereinbarungen und gerade auch für Sozialpläne ist anerkannt, daß diese eine Geschäftsgrundlage haben können, bei deren Wegfall die getroffene Regelung den geänderten tatsächlichen Umständen anzupassen ist, wenn dem Vertragspartner im Hinblick auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage das Festhalten an der Vereinbarung nicht mehr zuzumuten ist (BAG Urteil vom 29. Mai 1964, BAGE 16, 58 = AP Nr. 24 zu § 59 BetrVG (1952); Urteil vom 17. Februar 1981, BAGE 35, 80 = AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972; Großer Senat, Beschluß vom 16. September 1986, BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, m.w.N.). Dabei wird gerade für einen Sozialplan darauf verwiesen, daß ein Wegfall der Geschäftsgrundlage insbesondere in den Fällen angenommen werden könne, in denen beide Betriebspartner bei Abschluß des Sozialplans von irrigen Vorstellungen über die Höhe der für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzmittel ausgegangen sind (so BAG Urteil vom 17. Februar 1981, aaO; Däubler, Nachträgliche Kürzung von Sozialplanansprüchen?, NZA 1985, 545, 551; Kraft, in Anm. zu AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972). Dem schließt sich der Senat an.

Der Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Sozialplans führt nicht dazu, daß diese bzw. dieser von selbst und gegebenenfalls rückwirkend unwirksam wird. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat vielmehr nur zur Folge, daß die Regelung im Sozialplan den geänderten tatsächlichen Umständen insoweit anzupassen ist, als dem Vertragspartner das Festhalten an der getroffenen Regelung auch unter den geänderten tatsächlichen Umständen noch zuzumuten ist. Damit unterscheidet sich der Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung von der außerordentlichen Kündigung, was vielfach nicht beachtet wird, wenn ein Recht zur außerordentlichen Kündigung für den Fall bejaht wird, daß die Geschäftsgrundlage der Betriebsvereinbarung bzw. des Sozialplans weggefallen ist. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt nicht zur Beendigung der Betriebsvereinbarung, sondern läßt diese - wenn auch mit einem jetzt anzupassenden Inhalt - fortbestehen.

Die Anpassung der Regelung müssen die Betriebspartner vereinbaren. Derjenige Betriebspartner, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, hat gegenüber dem anderen einen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen über die Anpassung der im Sozialplan getroffenen Regelung. Verweigert der andere Betriebspartner eine solche Anpassung oder kommt es nicht zu einem Einvernehmen über eine solche, kann er die Einigungsstelle anrufen, die verbindlich entscheidet (BAG Urteil vom 17. Februar 1981, BAGE 35, 80 = AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972).

bb) Ist für einen Sozialplan die Geschäftsgrundlage weggefallen und tragen die Betriebspartner diesem Wegfall durch Anpassung der bislang getroffenen Regelung an die geänderten Verhältnisse Rechnung, so sind sie befugt, anläßlich dieser Anpassung auch die auf der Grundlage der bisherigen Regelung bereits entstandenen Ansprüche der Arbeitnehmer auch zu deren Lasten zu modifizieren. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz.

Ansprüche aus einem Sozialplan sind untrennbar mit dem rechtlichen Schicksal des Sozialplans verbunden. Der Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers beruht ausschließlich auf dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Sozialplan. Insoweit ist der Sozialplan einem Vertrag zugunsten Dritter vergleichbar, bei welchem der Dritte seine Ansprüche ebenfalls nur aus dem Vertrag zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger ableiten kann. Als Folge daraus teilen die Ansprüche des Dritten das rechtliche Schicksal des Vertrages. Dies kommt insbesondere in der Regelung des § 334 BGB zum Ausdruck, wonach die Einwendungen aus dem Vertrag zugunsten Dritter dem Versprechenden auch gegenüber dem Dritten zustehen.

Auf Grund dieser Abhängigkeit der Einzelansprüche der Arbeitnehmer aus dem Sozialplan vom rechtlichen Schicksal desselben, stehen diese auch unter dem Vorbehalt, daß eine für den Sozialplan vorausgesetzte Geschäftsgrundlage nicht später in Wegfall gerät und deswegen die Regelungen des Sozialplans angepaßt werden müssen. Werden die Regelungen des Sozialplans den geänderten Verhältnissen angepaßt - daß dies durch einen "neuen Sozialplan" geschieht, ist ohne Bedeutung -, so erfaßt diese Anpassung auch die Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer aus dem Sozialplan. Diese entfallen nicht, erhalten vielmehr nur einen anderen Inhalt. Darauf, daß die einmal entstandenen Ansprüche mit dem ursprünglichen Inhalt fortbestehen, können die Arbeitnehmer ebensowenig vertrauen, wie wenn sich der Sozialplan als von Anfang an nichtig darstellt oder wegen Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 BetrVG angefochten und für unwirksam erklärt wird.

Der mangelnde Schutz des Vertrauens in den unveränderten Fortbestand einmal entstandener Sozialplanansprüche erscheint auch nicht unbillig. Ansprüche auf Leistungen aus einem Sozialplan sind nicht erdiente Ansprüche wie etwa solche auf eine betriebliche Altersversorgung und stellen auch keine Entschädigung für den Verlust erworbener Rechte oder Besitzstände dar, sondern dienen dem Ausgleich oder der Milderung zukünftig zu erwartender wirtschaftlicher Nachteile, die dem Arbeitnehmer gerade wegen der Betriebsänderung entstehen (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt BAG Urteil vom 16. März 1994 - 10 AZR 606/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Hinzu kommt, daß die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer selbst keinen Anspruch darauf haben, daß es überhaupt zum Abschluß eines Sozialplans kommt. Ob der Betriebsrat einen Sozialplan verlangt und ggfls. mit welchem Inhalt er ihn vereinbart, liegt allein in dessen pflichtgemäßem Ermessen.

cc) Gegen die Befugnis der Betriebspartner, bei Wegfall der Geschäftsgrundlage die Regelungen eines Sozialplans auch mit Wirkung für bereits entstandene Ansprüche anzupassen, spricht auch nicht der Umstand, daß eine solche Anpassung in der Regel auch solche Arbeitnehmer betreffen wird, die im Zeitpunkt der Anpassung bereits aus dem Betrieb ausgeschieden sind und deren Arbeitsverhältnis beendet ist. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Betriebsparteien grundsätzlich keine Regelungsmacht in bezug auf Arbeitnehmer zu, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist (BAG, Großer Senat, Beschluß vom 16. März 1956, BAGE 3, 1 = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG (1952); so insbesondere auch Däubler, NZA 1985, 545, 547; Naendrup, AuR 1984, 193, 203), dieser für Betriebsvereinbarungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entwickelte Rechtssatz gilt zumindest nicht für Sozialpläne. Die Vereinbarung eines Sozialplans ist in vielen Fällen erst zu einem Zeitpunkt möglich, in dem die Betriebsänderung bereits durchgeführt ist und die Arbeitsverhältnisse der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer beendet sind. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist daher stets, ohne die Frage zu problematisieren, davon ausgegangen, daß die Betriebspartner Sozialplanleistungen auch für solche Arbeitnehmer vereinbaren können, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans bereits beendet ist. Selbst dann, wenn auch die Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder schon beendet sind, behält der Betriebsrat ein Restmandat zum Abschluß eines Sozialplans (BAG Urteil vom 16. Juni 1987, BAGE 55, 344 = AP Nr. 20 zu § 111 BetrVG 1972). Ein solches Restmandat wäre überflüssig, wenn der Betriebsrat für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse bereits beendet sind, keine Sozialplanregelungen mehr treffen könnte. In den Fällen, in denen nämlich die Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder beendet sind, gibt es regelmäßig keine anderen bestehenden Arbeitsverhältnisse im Betrieb mehr.

Die Befugnisse der Betriebspartner, Sozialplanleistungen für solche Arbeitnehmer zu regeln, deren Arbeitsverhältnisse bereits beendet sind, kann auch nicht davon abhängig sein, ob diese Regelungen sich zugunsten oder zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken. Das gilt zunächst für die erstmalige Vereinbarung eines Sozialplans schon deswegen, weil jede differenzierende Regelung sich auch als benachteiligende Regelung für diejenigen Arbeitnehmer darstellt, die auf Grund der Differenzierung geringere Sozialplanleistungen erhalten als andere. Aber auch für die Anpassung eines bereits abgeschlossenen Sozialplans wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist diese Befugnis ungeteilt. Würde man eine solche Anpassung nur noch für im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer zulassen, würde dies in der Regel zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung dieser Arbeitnehmer führen, da es vom Zufall abhinge, ob ein Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Anpassung noch im Betrieb tätig ist oder nicht. So hätten beispielsweise Arbeitnehmer mit wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit verlängerten Kündigungsfristen ein erheblich größeres Risiko, von der Anpassung des Sozialplans noch erfaßt zu werden, als Arbeitnehmer mit einer kürzeren Kündigungsfrist. Dies würde den mit der Verlängerung der Kündigungsfristen bezweckten Schutz länger beschäftigter Arbeitnehmer ins Gegenteil verkehren.

Wenn daher die Betriebspartner wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Sozialplans vom März 1991 berechtigt gewesen sind, dessen Regelungen durch den Sozialplan vom 1. November 1991 anzupassen, so konnten sie die Wirkungen der angepaßten Regelung auch auf alle Arbeitnehmer erstrecken, die bis zum 1. November 1991 von der Betriebsänderung betroffen worden sind und infolgedessen zunächst Ansprüche auf der Grundlage des Sozialplans vom März 1991 erworben haben.

Der Antrag der Arbeitgeberin, festzustellen, daß der Sozialplan vom 1. November 1991 den Sozialplan vom 14. März 1991 ersetzt hat, wäre dann begründet.

III. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden.

1. Nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Arbeitgeberin waren sowohl sie selbst als auch die am Abschluß des Sozialplans vom März 1991 beteiligten Betriebsräte infolge der Bekundungen der Gewerkschaften und der Treuhandanstalt davon ausgegangen, daß ein Sozialplan als vertretbar und damit finanzierbar angesehen werde, wenn Arbeitnehmer bei einem betriebsbedingten Ausscheiden eine Abfindung in Höhe von 25 % eines Bruttomonatsverdienstes pro Beschäftigungsjahr erhielten. Darüber hinaus sei allen Beteiligten klar gewesen, daß eine Finanzierung eines Sozialplans wegen fehlender Eigenmittel der Arbeitgeberin durch die Treuhandanstalt erforderlich sein werde. Daher hätten die Beteiligten mit einer entsprechenden Zuwendung durch die Treuhandanstalt gerechnet. Auf Grund der späteren Erklärung der Treuhandanstalt, des DGB und der DAG vom 13. April 1991 habe festgestanden, daß die Treuhandanstalt Sozialplanansprüche nur insoweit finanziere, als der Sozialplan insgesamt nicht mehr als 5.000,-- DM pro betroffenen Arbeitnehmer erfordere. Damit habe eine Finanzierungslücke von rund 29. Mio. DM bestanden.

Auf Grund dieses Sachverhalts ist davon auszugehen, daß nach den Vorstellungen der Betriebspartner bei Abschluß des Sozialplans vom März 1991 dessen vollständige Finanzierung durch die Treuhandanstalt Geschäftsgrundlage gewesen ist. Diese Geschäftsgrundlage ist nach Abschluß des Sozialplans vom März 1991 entfallen.

Auf Grund dieses Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann die Arbeitgeberin aber nur dann eine Anpassung der im Sozialplan vom März 1991 getroffenen Regelung an die geänderten Verhältnisse verlangen, wenn es ihr nach dem Wegfall der völligen Finanzierung des ersten Sozialplans durch die Treuhandanstalt nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, die Ansprüche ihrer Arbeitnehmer aus dem Sozialplan zu erfüllen. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, kann der Senat nicht beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Der Umstand, daß die Arbeitgeberin im ersten Halbjahr 1991 ein negatives Betriebsergebnis erzielt hat, besagt für sich allein noch nicht, daß es ihr unzumutbar war, die Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem ersten Sozialplan in voller Höhe zu erfüllen.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts muß daher aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses - auch unter Berücksichtigung möglichen weiteren Vorbringens der Beteiligten zu dieser Frage - die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Der Umstand, daß die Betriebspartner sich einvernehmlich auf die Anpassung der Ansprüche aus dem ersten Sozialplan geeinigt haben, besagt für sich allein noch nicht, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anpassung der Sozialplanansprüche gegeben sind. Der freiwillige Abschluß einer Betriebsvereinbarung, mit der der Betriebsrat die Notwendigkeit einer Anpassung des Sozialplans anerkennt, kann aber nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts ein maßgebliches Indiz dafür sein, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine notwendig werdende Anpassung erfüllt sind (BAG - Großer Senat - Beschluß vom 16. September 1986, BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972). Die Gründe, die den Betriebsrat bewogen haben, den neuen Sozialplan vom 1. November 1991 abzuschließen, werden daher vom Landesarbeitsgericht zu würdigen sein.

2. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß der Arbeitgeberin die Erfüllung der Ansprüche aus dem Sozialplan vom März 1991 in voller Höhe unmöglich oder zumindest unzumutbar war, so sind die Bestimmungen des Sozialplans vom März 1991 wirksam auch gegenüber denjenigen Arbeitnehmern abgeändert worden, für die vor dem 1. November 1991 zunächst Ansprüche in der vom ersten Sozialplan bestimmten Höhe erwachsen sind.

Der Umstand, daß die Betriebspartner im Sozialplan vom 1. November 1991 eine Anpassung der Sozialplanansprüche derjenigen Arbeitnehmer, denen in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1991 betriebsbedingt gekündigt worden ist oder die in diesem Zeitraum einen Aufhebungsvertrag wegen der Inanspruchnahme von Altersübergangsgeld geschlossen haben, nicht vorgesehen haben, macht die Regelungen des Sozialplans vom 1. November 1991 nicht unwirksam. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (BAG Urteil vom 28. Oktober 1992 - 10 AZR 129/92 - AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).

Die Beteiligten haben in der Anhörung vor dem Senat übereinstimmend vorgetragen, daß bis zum 4. Juni 1991, dem Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung der Arbeitgeberin, nur solche Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden gewesen seien, deren Ausscheidenstermin bereits vor dem 1. April 1991 gelegen habe. Die nächsten Kündigungen seien alle erst zum 30. Juni 1991 ausgesprochen worden. Den bis zum 31. März 1991 ausgeschiedenen Arbeitnehmern habe man die auf Grund des alten Sozialplans bereits gezahlten Abfindungen belassen wollen. Alle nach dem 1. April 1991 ausgeschiedenen Arbeitnehmer hätten Abfindungen nur nach dem Sozialplan vom 1. November 1991 erhalten.

Bei dieser Sachlage ist es nicht sachfremd, wenn die Betriebspartner den vor dem 1. April 1991 ausgeschiedenen Arbeitnehmern die auf der Grundlage des ersten Sozialplans bisher gezahlten Abfindungen belassen wollten, um so die Schwierigkeiten und Härten der Rückforderung möglicherweise zuviel gezahlter Abfindungen zu vermeiden.

3. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die Betriebspartner nicht befugt waren, im Hinblick auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage die Ansprüche aus dem ersten Sozialplan anzupassen, wird es die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen haben. Die Betriebspartner waren dann auch nicht befugt, wenigstens die Ansprüche derjenigen Arbeitnehmer anzupassen, die erst nach dem 4. Juni 1991 von der Betriebsänderung, insbesondere von Kündigungen betroffen wurden.

Matthes Hauck Böck

Plenge Hickler

 

Fundstellen

BAGE, 313

BB 1995, 1240

BB 1995, 1240-1242 (LT1-6)

DB 1995, 480-483 (LT1-6)

AiB 1995, 471-472 (LT2,4-6)

BetrR 1995, 105 (LT1-6)

BetrVG BetrVG § 112, EnnR (17) (LT1-6)

EWiR 1995, 331-332 (L)

NZA 1995, 314

NZA 1995, 314-320 (LT1-6)

SAE 1995, 297-304 (LT1-6)

ZIP 1995, 1037

ZIP 1995, 1037-1045 (LT)

AP BetrVG 1972 § 112, Nr. 86 (LT1-6)

AR-Blattei, ES 1470 Nr. 59 (LT1-6)

AuA 1995, 169-173 (LT1-6)

EzA BetrVG 1972 § 112, Nr. 76 (LT1-6)

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