Rz. 128

Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG hat der Arbeitgeber gleichzeitig mit der schriftlichen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Nach dem Halbsatz 2 muss die Mitteilung an den Betriebsrat zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben enthalten. Durch § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG wird Art. 2 Abs. 3 UAbs. 2 MERL umgesetzt. Die Zuleitung hat an sich vor der Anzeige zu erfolgen.

 

Rz. 128a

Wird die Kopie der Mitteilung an den Betriebsrat entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vorher, sondern erst mit der Anzeige an die Arbeitsagentur zugeleitet, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige.[1] Die Anzeige ist allerdings erst dann vollständig, wenn die Abschrift der Arbeitsagentur vorliegt. § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist jedenfalls insoweit eine bloße Ordnungsvorschrift, als es um den Zeitpunkt der Zuleitung geht. Dies folgt auch aus Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 MERL, der keinen bestimmten Zeitpunkt für die Übermittlung dieser Mitteilung an die Behörde vorsieht. Auch nach dem Formular der Arbeitsverwaltung für die Massenentlassungsanzeige kann die Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat der Massenentlassungsanzeige als Anlage beigefügt werden.

 

Rz. 128b

Leitet der Arbeitgeber unter Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG der Agentur für Arbeit überhaupt nicht zu, hat dies nicht die Nichtigkeit der Kündigung oder sonstigen Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG (vgl. Rz. 23 ff.) nach § 134 BGB zur Folge, weil § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG bzw. Art. 2 Abs. 3 UAbs. 2 MERL nicht den Zweck hat, den von Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren. Vielmehr verfolgt die Vorschrift bloße Informations- und Vorbereitungszwecke und dient dazu, es der zuständigen Behörde vor der Anzeige zu ermöglichen, sich einen Überblick zu verschaffen und die bei Umsetzung der Massenentlassung in ihre Zuständigkeiten fallenden Maßnahmen vorzubereiten. Dies hat der EuGH im Urteil vom 13.7.2023 auf Vorlage des 6. Senats des BAG[2] entschieden.[3] Dennoch hat der 6. Senat den Ausgangsfall (wenig überzeugend) nicht unmittelbar nach dem EuGH-Urteil endentschieden. Vielmehr wurde das Verfahren nochmals ausgesetzt, bis der 2. Senat zur Anfrage des 6. Senats in einem anderen – das Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 1 und 3 KSchG betreffenden – Fall[4] Stellung genommen hat, ob sich der 2. Senat der vom 6. Senat beabsichtigten grundsätzlichen Rechtsprechungsänderung (vgl. Rz. 159 ff.) anschließt (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG).[5] Der 2. Senat hat die Sache nun dem EuGH vorgelegt.[6]

[3] EuGH, Urteil v. 13.7.2023, C-134/22, NZA 2023, 887, Rz. 32 f., 36 f.; dazu Köllmann, DB 2023, 2953; Mengel/Blume, ZFA 2023, 451; Naber, NZA 2023, 942; Norda/Blankenburg, BB 2023, 261; Rolfs, EWiR 2023, 503; s. auch EuGH, Urteil v. 5.10.2023, C-496/22, NZA 2023, 1454, Rz. 32.
[4] BAG, Vorlagebeschluss v. 14.12.2023, 6 AZR 157/22 (B), NZA 2024, 119.
[6] BAG, Vorlagebeschluss v. 1.2.2024, 2 AS 22/23 (A), NZA 2024, 257.

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