Rz. 33

Unter "anderen" Unwirksamkeitsgründen sind die Unwirksamkeitsgründe zu verstehen, die nicht auf § 1 Abs. 2 und 3 KSchG beruhen.

4.1 Einzelne "andere" Unwirksamkeitsgründe

 

Rz. 34

Die "anderen" Unwirksamkeitsgründe werden zumeist nach gesetzlichen, tarifvertraglichen und einzelvertraglichen Unwirksamkeitsgründen systematisiert:

4.1.1 Gesetzliche Unwirksamkeitsgründe

 

Rz. 35

Hierher gehören gesetzliche Bestimmungen im weitesten Sinne, freilich auch die Bestimmungen des Grundgesetzes, die aber selten unmittelbar zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen und in erster Linie für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des einfachen Rechts, vor allem der §§ 138, 242 und 612a BGB, von Bedeutung sind.

 

Rz. 36

Eine Kündigung ist nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln über die Wirksamkeit als einseitiges Rechtsgeschäft und empfangsbedürftige Willenserklärung zu prüfen. Die Kündigung muss erklärt, d. h. auch zugegangen (§ 130 BGB) sein und darf insbesondere keinem der rechtsgeschäftlichen Nichtigkeitsgründe unterliegen (Geschäftsfähigkeit, § 105 BGB; Scheingeschäft, § 117 BGB; Mangel an Ernstlichkeit, § 118 BGB; gesetzliche Schrift- (§ 623 BGB[1], § 22 Abs. 3 BBiG) oder sonstige (z. B. § 22 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BBiG: Angabe der Kündigungsgründe) Form, § 125 BGB; Gesetzesverstoß, § 134 BGB; Sittenwidrigkeit, § 138 BGB[2]; Anfechtung, § 142 BGB). Als einseitiges Gestaltungsrecht darf die Kündigung nicht bedingt und muss sie hinreichend bestimmt sein. Die Kündigung darf im Grundsatz nicht durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erklärt werden (§ 180 BGB). Bei der Kündigung durch einen Vertreter müssen die §§ 164 ff. BGB, 174 BGB beachtet werden. In inhaltlicher Hinsicht darf die Kündigung nicht gegen § 242 BGB (vgl. § 242 BGB Rz. 1 ff.) verstoßen.

 

Rz. 37

Besondere gesetzliche Unwirksamkeitsgründe können sich aus dem allgemeinen Maßregelungsverbot des § 612a BGB (vgl. § 612a BGB Rz. 1 ff.) und besonderen Maßregelungsverboten (vgl. § 612a BGB, Rz. 8 ff.) ergeben. Die Kündigung darf nicht wegen eines Betriebsübergangs erklärt werden (§ 613a Abs. 4 BGB[3]). Der besondere Kündigungsschutz bestimmter Arbeitnehmer ist zu beachten: während der Schwangerschaft (§ 17 Abs. 1 MuSchG) und der Elternzeit (§ 18 Abs. 1 BEEG), während des freiwilligen Wehrdienstes (§ 2 ArbPlSchG), für schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen (§§ 168 ff. SGB IX), bei betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern (§ 15 KSchG). Weitere Unwirksamkeitsgründe können aus gesetzlichen Anhörungs- (z. B. § 102 Abs. 1, § 108 Abs. 2 BetrVG), Mitwirkungs- (§ 79 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 BPersVG; Landespersonalvertretungsgesetze) oder Zustimmungserfordernissen (z. B. § 103 Abs. 1 BetrVG, § 47, § 108 Abs. 1 BPersVG) folgen.[4]

[1] Vgl. die dortige Kommentierung.
[2] Vgl. die dortige Kommentierung.
[4] Zu Einzelheiten vgl. die Kommentierung der jeweiligen Vorschrift.

4.1.2 Tarifvertragliche Unwirksamkeitsgründe

 

Rz. 38

Tarifvertragliche Unwirksamkeitsgründe können z. B. aus dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder bestimmter Fälle der ordentlichen Kündigung, z. B. der betriebsbedingten, folgen (z. B. § 34 Abs. 2 TVöD, ähnl. zuvor § 53 Abs. 3 BAT, Rationalisierungsschutzabkommen). Auch Tarifverträge können Formvorschriften vorsehen, deren Missachtung zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann. Bei einem Verstoß gegen tarifvertragliche Kündigungsverbote ergibt sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus dem jeweiligen Verbot i. V. m. § 4 Abs. 1 TVG und § 134 BGB.

4.1.3 Einzelvertragliche Unwirksamkeitsgründe

 

Rz. 39

Die Arbeitsvertragsparteien können einzelvertragliche Unwirksamkeitsgründe vereinbaren. Arbeitsvertraglich kann der Ausschluss der Kündigung ausdrücklich geregelt sein. Ausgeschlossen werden kann aber stets nur das Recht zur ordentlichen Kündigung; das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht abdingbar[1]), und auch nicht abdingbar durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag.[2]

Arbeitsverrtaglich wird oftmals ausdrücklich die Kündigung vor Arbeitsantritt ausgeschlossen. Im Übrigen kann ein Kündigungsausschluss dem Arbeitsvertrag im Wege der Auslegung zu entnehmen sein. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der Kündigung vor Arbeitsantritt ist ein starkes Indiz für einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor Arbeitsantritt.[3]

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit (Befristung, Bedingung), so ist das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen.[4] Soll das Recht zur ordentlichen Kündigung erhalten bleiben, so müssen die Vertragsparteien dies – ausdrücklich oder jedenfalls eindeutig den Umständen entnehmbar[5] – vereinbaren (§ 15 Abs. 4 TzBfG), sofern nicht ein Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthält.

[1] BAG, Urteil v. 19.12.1974, 2 AZR 565/73, AP BGB § 620 Bedingung Nr. 3, unter II. 3. a; KR/Fischermeier/Krumbiegel, 13. Aufl. 2022, § 626 BGB, Rz. 64, jeweils m. w. N.
[2] KR/Fischermeier/Krumbiegel, § 626 BGB, Rz. 64.
[4] BAG, Urteil v. 19.6.1980, 2 AZR 660/78, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 55...

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