Rz. 616

Auch die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kann einen personenbedingten Kündigungsgrund i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt (BAG, Urteil v. 26.9.1991, 2 AZR 132/91[1]). Eine erhebliche krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit (z. B. nur noch 2/3 des üblichen Leistungsvermögens) begründet eine soziale Rechtfertigung der Kündigung, wenn eine negative Prognose gegeben ist, betriebliche Interessen durch die Minderung der Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden und eine Umsetzung nicht möglich ist. Das Austauschverhältnis kann hier ebenso wie bei einer dauernden völligen Unmöglichkeit der Leistungserbringung in einer Weise gestört sein, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar macht. Vorauszusetzen ist, dass die verbliebene Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Gegenleistung so weit unterschreitet, dass ihm ein Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar ist (BAG, Urteil v. 20.3.2014, 2 AZR 825/12[2]).

Dabei kann es keinen festen Richtwert geben, ab wann eine unzumutbare krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit vorliegt oder bis zu welchem Maß sich eine Minderleistung noch im Rahmen der beiderseitigen vertraglichen Erwartungen hält. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zu einer dauerhaften Unterschreitung der Durchschnittsleistung (BAG, Urteil v. 11.12.2003, 2 AZR 667/02[3]) kann eine Unzumutbarkeit der weiteren Vertragsdurchführung anzunehmen sein, wenn die dauerhafte Minderleistung des Arbeitnehmers wenigstens 1/3 beträgt. Ist diese Leistungsminderung festgestellt, muss auf der 1. Stufe der Prüfung eine durch objektive Tatsachen begründete negative Prognose für die Zukunft vorliegen.

 

Rz. 617

Nicht ausreichend für eine solche personenbedingte Kündigung ist es, wenn die Weiterarbeit den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers lediglich beeinträchtigen oder verschlechtern wird (Hessisches LAG, Urteil v. 11.2.1997, 15 Sa 1283/96[4]; LAG Köln, Urteil v. 21.12.1995, 10 Sa 741/95[5]), womit es keine soziale Rechtfertigung für eine personenbedingte Kündigung aus Fürsorgegesichtspunkten gibt. Allerdings kann je nach Gestaltung des Einzelfalles die durch eine Weiterarbeit zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigung eine negative Prognose im Sinne einer Minderung der Leistungsfähigkeit auf Dauer begründen.

 

Rz. 618

Auf der 2. Stufe muss es – wie bei der krankheitsbedingten Kündigung regelmäßig – zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch die dauerhafte Minderleistung kommen.

 

Rz. 619

Sodann ist zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz, der dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers entspricht, möglich ist. Hierbei sind auch Teilzeitarbeitsplätze einzubeziehen (BAG, Urteil v. 2.2.1973, 2 AZR 172/72[6]). Zuletzt ist nach den allgemeinen Grundsätzen eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen.

[1] AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 28.
[2] AP KSchG 1969 § 15 Nr. 75.
[3] AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 48.
[4] LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 14.
[5] LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 24; a. A. LAG Hamm, Urteil v. 27.2.1986, 10 Sa 1524/85, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 3.
[6] AP BGB § 626 Krankheit Nr. 1.

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