Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Krankheitsbedingte, dauerhafte Leistungsminderung des Arbeitnehmers kann - anders als die anderen typischen Gründe einer krankheitsbedingten Kündigung (häufige Kurzerkrankungen, dauernde Arbeitsunfähigkeit oder Langzeiterkrankung) nur mit großer Zurückhaltung als ein Kündigungsgrund nach § 1 Abs 2 KSchG in Betracht gezogen werden.

2. Geringe Leistungsminderungen scheiden von vornherein als Kündigungsgrund aus; erst eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (objektiv meßbarer Leistungsabfall in quantitativer oder qualitativer Hinsicht) kann eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers werden, weil der gezahlten dann keine adäquate Arbeitsleistung mehr gegenübersteht.

3. Fehlt die Feststellung objektiver Tatsachen für das dauernde Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung, dann muß im Regelfall mit der auf unstreitige oder nachgewiesenen Erkrankungen des Arbeitnehmers gestützten Kündigung abgewartet werden, bis die Prognose ergibt, daß der Arbeitnehmer tatsächlich aus diesen Gründen regelmäßig fehlen wird. Auch der in einem arbeitsmedizinischen Gutachten enthaltene ärztliche Rat, die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben, berechtigt den Arbeitgeber nicht ohne weiteres zu einer "Kündigung aus Fürsorge".

4. Eine vorsorglich und "aus Fürsorge" in Kenntnis ärztlicher Besorgnisse erklärte Kündigung ist insbesondere dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn sie ausgesprochen wird, nachdem der Arbeitnehmer inzwischen seit Monaten wieder ohne objektiv meßbare Leistungsminderung tatsächlich mit seiner vertraglichen Arbeit (hier als Abbrucharbeiter) beschäftigt worden ist.

5. Eine Maßnahme der zuständigen Berufsgenossenschaft nach §§ 557 oder 567 Abs 1 Nr 1 RVO kann dem Arbeitgeber auch nicht bei der Interessenabwägung als besondere Fürsorgepflicht zugute gehalten werden. Das Scheitern eines entsprechenden "Arbeitsversuches" hat jedenfalls dann keine Auswirkung zugunsten der sozialen Rechtfertigung, wenn der Arbeitnehmer anschließend vom Arzt gesund geschrieben wird und seine Arbeit über einen längeren Zeitraum tatsächlich verrichtet.

 

Orientierungssatz

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZN 386/96.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 09.03.1995; Aktenzeichen 8 Ca 2446/94)

 

Nachgehend

BAG (Entscheidung vom 25.07.1996; Aktenzeichen 2 AZN 386/96 sonstige Erledigung)

 

Fundstellen

Haufe-Index 441984

BB 1996, 1992

BB 1996, 1992 (L1-4)

ARST 1996, 236 (L1-4)

RzK, I 5h Nr 34 (L1-4)

Bibliothek, BAG (LT1-5)

LAGE § 1 KSchG Krankheit, Nr 24 (LT1-5)

NZA-RR 1997, 51 (L1-5)

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