Rz. 401

Konkrete Vorschriften zu Aufbau und Inhalt der Abmahnung gibt es zwar nicht. Die Abmahnung muss aber zum einen eindeutig die Beanstandung eines konkret beschriebenen pflichtwidrigen Verhaltens erkennen lassen (Rügefunktion) und zum anderen den Hinweis enthalten, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist (Warnfunktion). Fehlt die Warnfunktion, so handelt es sich nicht um eine Abmahnung im kündigungsrechtlichen Sinne, sondern allenfalls um eine Ermahnung, eine Verwarnung oder einen Verweis (BAG, Urteil v. 19.4.2012, 2 AZR 258/11[1]).

 

Rz. 402

Die Rüge- bzw. Dokumentationsfunktion ist nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber das pflichtwidrige Verhalten konkret bezeichnet und genau beschriebene Mängel beanstandet, da der Arbeitnehmer nur dann erkennen kann, welches Verhalten der Arbeitgeber nicht hinnehmen will. Schlagworte wie "Schlechtleistung", "Störung des Betriebsfriedens" etc. reichen nicht aus. Ist das beanstandete Fehlverhalten nur pauschal bezeichnet, kann der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einwenden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkannt oder erkennen können. Allerdings geht die Verpflichtung zur Konkretisierung nicht so weit, dass im Fall einer quantitativen Minderleistung die konkreten zur Minderleistungen führenden (Einzel-) Pflichtverletzungen bezeichnet werden müssen, da hier die Besonderheit besteht, dass für den Arbeitgeber oft schwer ersichtlich ist, worauf die quantitative Minderleistung beruht (BAG, Urteil v. 27.11.2008, 2 AZR 675/07[2]).

 

Rz. 403

Die Warnfunktion ist nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber ankündigt, dass für den Fall weiterer Vertragspflichtverletzungen Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. Nur dann weiß der Arbeitnehmer, dass sein Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als nicht vertragsgemäß ansieht und dies auch künftig nicht mehr hinnehmen will. Die Ankündigung konkreter kündigungsrechtlicher Maßnahmen – also z. B. einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bzw. einer Beendigungs- oder Änderungskündigung – ist nicht erforderlich. Es reicht die Androhung "kündigungsrechtlicher Konsequenzen", denn so muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass weitere Pflichtverletzungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gefährden (BAG, Urteil v. 19.4.2012, 2 AZR 258/11[3]). Nicht ausreichend ist dagegen die Ankündigung "arbeitsrechtlicher Konsequenzen", da mit ihnen nicht hinreichend deutlich gemacht wird, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel steht; arbeitsrechtliche Konsequenzen können durchaus auch Versetzungen, Umsetzungen oder weitere Abmahnungen sein.

 
Hinweis

Folgende Formulierung könnte z. B. zur Klarstellung der Warnfunktion gewählt werden: "Im Wiederholungsfall müssen Sie mit einer Kündigung rechnen".

[1] AP BGB § 626 Nr. 238.
[2] AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 33.
[3] AP BGB § 626 Nr. 238.

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