1.2.5.1 Widerruf

 

Rz. 166

Die Kündigungserklärung kann nach ihrem Zugang nicht widerrufen werden (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Folglich ist nur bei einer Kündigung gegenüber einem Abwesenden ein Widerruf möglich. Dieser bedarf nicht der Schriftform.[1]

[1] HaKo-KSchG/Mestwerdt, 7. Aufl. 2021, Einleitung, Rz. 90.

1.2.5.2 Rücknahme

 

Rz. 167

Eine einseitige Rücknahme der bereits zugegangenen Kündigungserklärung ist ausgeschlossen. Sollte der Arbeitgeber anbieten, die Kündigung ohne Weiteres oder unter bestimmten Umständen zurückzunehmen, ist darin das Angebot zur Vertragsverlängerung zu sehen, das der Arbeitnehmer annehmen oder ablehnen kann. Sein Einverständnis dazu, den Vertrag fortzuführen, kann nicht schon in der Erhebung der Kündigungsschutzklage gesehen werden. Es bleibt ihm unbenommen, das Angebot abzulehnen und nach erfolgreicher Klage den Auflösungsantrag gem. § 9 KSchG zu stellen (BAG, Urteil v. 19.8.1982, 2 AZR 230/80[1]). Wenn der Arbeitnehmer das Angebot ablehnt, verliert er aber möglicherweise den Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Er behält den Anspruch allerdings, wenn der Arbeitgeber ihn mit Ausspruch der Kündigung freigestellt hatte und später die Rücknahme der Kündigung erklärt, ohne den Arbeitnehmer aufzufordern, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Arbeit wieder aufzunehmen (BAG, Urteil v. 24.5.2017, 5 AZR 251/16[2]).

[1] AP KSchG 1969 § 9 Nr. 9.
[2] Juris.

1.2.5.3 Anfechtung

 

Rz. 168

Die Kündigungserklärung ist gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig, wenn sie vom Kündigenden innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten wurde und dieser zur Anfechtung berechtigt war. Zu beachten ist im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB, dass der Irrtum über die gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen als unbeachtlicher Motivirrtum nicht zur Anfechtung berechtigt.

 

Beispiel

Die Unkenntnis des Arbeitnehmers darüber, dass er bei einer Eigenkündigung eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld erhält (§ 159 i. V. m. § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III), berechtigt ihn ebenso wenig zur Anfechtung nach § 119 BGB wie die Unkenntnis einer Frau über die mutterschutzrechtlichen Folgen ihrer Kündigung (BAG, Urteil v. 6.2.1992, 2 AZR 408/91[1]).

 

Rz. 169

Nicht selten ficht der Arbeitnehmer seine Eigenkündigung nach § 123 Abs. 1 BGB an, indem er geltend macht, der Arbeitgeber habe ihn widerrechtlich durch eine Drohung zur Eigenkündigung veranlasst.[2] Eine Drohung ist die Ankündigung eines zukünftigen, empfindlichen Übels, wobei der Drohende behauptet, dass der Eintritt des Übels von seinem Willen abhängt. Demnach droht der Arbeitgeber, wenn er für den Fall der Unterlassung einer Eigenkündigung die fristlose Entlassung ankündigt. Diese Drohung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber sie nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, weil er davon ausgehen musste, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten (BAG, Urteil v. 5.12.2002, 2 AZR 478/01[3]). Es kommt darauf an, ob aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers ein wichtiger Grund gegeben war und ob der Arbeitgeber die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB noch einhalten konnte. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einer überstürzten Entscheidung zwingt, stellt noch keine widerrechtliche Drohung dar.

[1] AP BGB § 119 Nr. 13.
[2] Gabrys, AiB 2004, 249 ff.
[3] NJOZ 2003, 2491, 2493.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge