Rz. 26

Gründe für eine außerordentliche Kündigung sind vielfältig. Sie können sich aus dem Leistungs- (oder Gegenleistungs-) oder Vertrauensbereich ergeben, sie können aber auch auf einer Beeinträchtigung des Betriebsfriedens beruhen. Ausnahmsweise rechtfertigen auch Gründe im Unternehmensbereich (betriebsbedingte Gründe) eine außerordentliche Kündigung.

 

Rz. 27

Ein Kündigungsgrund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB muss sich im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 KSchG nicht in die Kategorien von verhaltens-, personen- und betriebsbedingten Gründen einordnen lassen. Eine solche Einteilung ist indessen bei allen Gründen möglich. Sie ist auch sinnvoll, um die einzelnen Fallgruppen systematisch darzustellen. Dies gilt umso mehr, als sich auch die Rechtsprechung bei mehreren Kündigungsgründen hieran orientiert. Zudem ist prinzipiell jeder Grund, der eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, auch ein An-sich-Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Unterschied liegt in der sofortigen Wirkung der außerordentlichen Kündigung und hierfür ist die Interessenabwägung entscheidend (Rz. 36 ff.).[1]

[1] Deshalb wird insoweit auf Liebscher, § 1 KSchG Rz. 341 ff. Bezug genommen. Das gilt auch für diejenigen Unternehmen, in denen das KSchG nicht anzuwenden ist, s. Rz. 11 ff.

4.1.1 Prognoseprinzip

 

Rz. 28

Für sämtliche Fallgruppen gilt, dass stets zukünftige Nachteile das Arbeitsverhältnis erschüttern müssen, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (s. bereits Rz. 3). Dieses Prognoseprinzip ist insbesondere für verhaltensbedingte außerordentliche Kündigungen bedeutsam. Die in der Vergangenheit liegende Pflichtverletzung stellt für sich genommen noch keinen Kündigungsgrund dar. Sie kann allerdings ihrerseits derart schwer wiegen, dass das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich gestört und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Ändert der Arbeitnehmer z. B. sein Verhalten auch nach einer Abmahnung nicht, rechtfertigt dies regelmäßig die Prognose, dass er sich auch weiterhin vertragsuntreu verhalten wird.[1]

 

Rz. 29

Der Kündigungsgrund muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv vorliegen; nicht notwendig ist, dass sich der Kündigende dessen bewusst ist.[2] Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist grds. möglich (näher dazu Rz. 35).

[2] BAG, Urteil v. 30.1.1963, 2 AZR 143/62, NJW 1963, 1267.

4.1.2 Verhaltensbedingte Gründe

 

Rz. 30

Die bedeutendste und in der Praxis häufigste Fallgruppe der außerordentlichen Kündigung ist die verhaltensbedingte. Sie setzt – entsprechend der verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung – eine rechtswidrige Pflichtverletzung voraus.[1] Der Gekündigte muss dabei nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen haben, es reicht aus, wenn er dabei mit anderen zusammengewirkt oder die Handlung bewusst ermöglicht hat.[2]

Diese muss i. d. R. schuldhaft verursacht sein.[3] Da allerdings die weit reichende Nebenpflicht der Vertragspartner darin besteht, die Interessen des anderen nicht zu verletzen und außerdem fahrlässige Pflichtwidrigkeit ausreicht (§ 276 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB), ist diese Hürde nicht unüberwindbar hoch. Der Grad des Verschuldens ist im Übrigen auch für die Interessenabwägung bedeutsam (s. Rz. 52).

Im Prinzip stellt jede Pflichtverletzung einen sog. An-sich-Grund für eine verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung dar.[4] Zur Kategorie der verhaltensbedingten Kündigung zählt auch die Verdachtskündigung (s. Rz. 82).

4.1.3 Personenbedingte Gründe

 

Rz. 31

Prinzipiell können auch personenbedingte Gründe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Erforderlich ist allerdings stets, dass sich diese konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, ohne dass der Kündigende ihnen in zumutbarer Weise begegnen kann.[1] In der Praxis ist eine außerordentliche personenbedingte Kündigung selten erfolgreich, da es dem Kündigenden i. d. R. zumutbar ist, die Kündigungsfrist einzuhalten (s. Rz. 49 ff.).

4.1.4 Betriebsbedingte Gründe

 

Rz. 32

Betriebsbedingte Gründe berechtigen regelmäßig nur zur ordentlichen Kündigung. Eine Ausnahme gilt für ordentlich unkündbare Arbeitnehmer (hierzu Rz. 18 ff.).

4.1.5 Mehrere Kündigungsgründe

4.1.5.1 Gesamtbetrachtung

 

Rz. 33

Eine Kündigung kann auf mehrere Gründe gestützt werden. Die Rechtsprechung prüft in diesem Fall zunächst, ob jeder Sachverhalt für sich allein geeignet ist, die Kündigung zu begründen. Wird dies abgelehnt, ist im Weg einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit die außerordentliche Kündigung rechtfertigen. In diese Würdigung werden allerdings nur gleichartige – z. B. mehrere verhaltensbedingte – Gründe einbezogen.[1] Alles andere hieße im Übrigen auch, "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen.

 

Beispiel

Für die Frage, welche Gründe gleichartig sind, ist die ...

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