Rz. 39

Bei der Gestaltung von Aufhebungs- bzw. Auflösungsverträgen sind die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einen Ausgleich zu bringen.[1] Daher empfiehlt sich vor dem Verhandeln und Entwerfen von Aufhebungsvereinbarungen eine gründliche Analyse der Interessen beider Seiten.[2] Neben den offensichtlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich der Höhe einer etwaigen Abfindung ist auf Arbeitnehmerseite insbesondere zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer möglichst sozialversicherungsrechtliche Nachteile hinsichtlich des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vermeiden und steuerrechtliche Vorteile nutzen möchte. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, keinen weiteren Verbindlichkeiten oder Haftungstatbeständen ausgesetzt zu sein. Ferner ist beiden Parteien regelmäßig daran gelegen, einen "Schlussstrich zu ziehen" und sämtliche Ansprüche mit Ausnahme von auf die Zukunft gerichteten (z. B. Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung) oder unverzichtbaren Ansprüchen zu erledigen. Wenn der Arbeitnehmer bei mehreren Gesellschaften einer Unternehmensgruppe tätig war, besteht aus Arbeitgebersicht zudem ein Interesse daran, dass klargestellt wird, dass kein weiteres Anstellungsverhältnis zu einer sonstigen Gesellschaft der Unternehmensgruppe mehr besteht. Aus der Interessenanalyse lassen sich konkrete Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Aufhebungsvereinbarung ziehen.

Übersicht:

 
Arbeitgeberinteressen Arbeitnehmerinteressen Schlussfolgerungen für die Gestaltung
Beendigung des Arbeitsverhältnisses Im Störfall meist Beendigung des Arbeitsverhältnisses ("innere Kündigung") Grundkonsens als Basis des Vergleichs/der Beendigungsvereinbarung
Baldiges Ausscheiden
  • baldiges Ausscheiden (insb. bei neuem Job), aber ohne finanzielle Nachteile oder
  • ggf. längeres Verbleiben im sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis

Verhandlung über

  • Beendigungstermin
  • ausstehende Vergütung
  • ggf. unbezahlten Urlaub/unbezahlte Freistellung
Im Regelfall möchte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer "keine Steine in den Weg legen" Keine sozialversicherungs-rechtlichen Nachteile
Kostengünstige Lösung Möglichst hohe finanzielle/soziale Absicherung

Verhandlung über:

  • ausstehende Entgeltansprüche einschließlich Boni, Firmenwagen, Sonderleistungen der Konzernmutter etc.
  • Höhe der Abfindung (nicht sozialversicherungsbeitragspflichtig!)
  • Vermeidung von zusätzlichen Urlaubsabgeltungsansprüchen
  • Vermeidung von Doppelansprüchen (z. B. bei Vorhandensein eines Sozialplans oder tarifvertraglicher Abfindungsregelungen)
 

Berücksichtigung bes. persönlicher Verhältnisse, wie z. B.

  • Krankheit,
  • Aussichten am Arbeitsmarkt,
  • Antritt eines neuen Arbeitsverhältnisses etc.
Einzelfallumstände
Keine Haftung wegen falschen Zeugnisses Gutes Zeugnis Klärung von Formulierungsfragen
Vertraulichkeit betr. Abschluss/Inhalt der Beendigungsvereinbarung, Vermeidung von Präzedenzfällen Vertraulichkeit betr. Grund der Beendigung
  • Vertraulichkeitsvereinbarung, ggf. mit Vertragsstrafe
  • Vereinbarungen zum Grund des Ausscheidens, interne und externe Kommunikation
Erledigung sämtlicher Ansprüche ("Schlussstrich") Erledigung sämtlicher Ansprüche ("Schlussstrich") Abgeltungs-/Erledigungsklausel
 

Rz. 40

Bei der Ausgestaltung ist zu beachten, dass vorformulierte Aufhebungsverträge grundsätzlich einer Einbeziehungs-, Inhaltskontrolle und Transparenzkontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen.[3] Da Arbeitsverträge als Verbraucherverträge i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB angesehen werden[4], gilt dies auch für den Aufhebungsvertrag als actus contrarius zum Arbeitsvertrag.[5] Dementsprechend gelten die Klauseln in Aufhebungsverträgen grundsätzlich als vom Arbeitgeber gestellt (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB), und die §§ 305c Abs. 2, 306, 307 bis 309 BGB sind auch anzuwenden, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind nicht nur auf Arbeitsverträge, sondern analog § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB auch auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge anzuwenden, zumal die Regelungsmaterie dieselbe ist.[6] Die unmittelbaren Hauptleistungspflichten der Aufhebungsvereinbarung (z. B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Termin, Verzicht auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, keine Erhebung einer Kündigungsschutzklage, Abfindung) unterliegen jedoch nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ebenso wie die Höhe der Abfindung keiner Inhalts-/Angemessenheitskontrolle.[7] Allerdings stellt nach Auffassung des BAG der ohne kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers (z. B. in Bezug auf die Beendigungsart, den Beendigungszeitpunkt, Zahlung einer Abfindung, Verzicht auf eigene Ersatzansprüche) erklärte formularmäßige Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine unangemess...

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