Rz. 47

Existiert im Kleinbetrieb ein (aus einer Person bestehender, § 9 BetrVG i. V. m. § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KSchG) Betriebsrat (Betriebsobmann), so ist dieser vor der Kündigung zu hören (§ 102 Abs. 1, 2 BetrVG). An die Intensität der Anhörung dürften dieselben Anforderungen zu stellen sein, die im Fall der Kündigung während der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) gelten. Bei der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ist nach der Rechtsprechung des BAG dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien dient. Es kann deshalb bei einer solchen Kündigung ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber, der keine auf Tatsachen gestützte und durch Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe benennen kann, dem Betriebsrat nur seine subjektiven Wertungen, die ihn zur Kündigung des Arbeitnehmers veranlassen, mitteilt.[1] Das BAG[2] hielt eine Anhörung zu der Kündigung einer Arbeitnehmerin während der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) für ausreichend, bei der der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht mit "mangelnder Qualifikation" der Arbeitnehmerin begründete und dies weiter dahin konkretisierte, dass "ihre schreibtechnischen und rechnerischen Kenntnisse sowie die sonstigen Dinge, die zu einer Sachbearbeitertätigkeit gehörten, unzureichend" seien.[3] Der Arbeitgeber ist bei einer Wartezeitkündigung auch nicht verpflichtet, Sozialdaten, die bei vernünftiger Betrachtung weder aus seiner Sicht noch aus Sicht der Arbeitnehmervertretung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung eine Rolle spielen könnten, mitzuteilen; Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers sind deshalb ebenso wie dessen Lebensalter für die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung i. d. R. ohne Bedeutung.[4]

 

Rz. 48

Zwar gilt der Gedanke der Erprobung als Grund für die Erleichterung der Betriebsratsanhörung nicht notwendig im Kleinbetrieb; allerdings ist bei der Kündigung im Kleinbetrieb stattdessen den vom BVerfG genannten Besonderheiten Rechnung zu tragen, die für die Herausnahme des Kleinbetriebs aus dem allgemeinen Kündigungsschutz und die erleichterte Kündbarkeit angeführt werden.[5] Freilich lassen sich diese Umstände nicht ohne Weiteres dafür anführen, dass die Grundsätze zur Intensität der Betriebsratsanhörung bei einer Kündigung während der Wartezeit auch bei einer Kündigung im Kleinbetrieb gelten. Nach Auffassung des BAG spielt es für Inhalt und Umfang der Mitteilungspflicht grds. keine Rolle, ob für den Arbeitnehmer bereits der Kündigungsschutz nach dem KSchG besteht.[6]

[1] BAG, Urteil v. 16.9.2004, 2 AZR 511/03, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 142; vgl. auch BAG, Urteil v. 22.9.2005, 6 AZR 607/04, juris; BAG, Urteil v. 3.12.1998, 2 AZR 234/98, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 99; differenzierend: KR/Rinck, 13. Aufl. 2022, § 102 BetrVG Rz. 83; krit. Fitting, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 102 BetrVG Rz. 47; DKKW/Kittner, BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 102 Rz. 104. Zu Einzelheiten Richardi/Thüsing, BetrVG, 17. Aufl. 2022, § 102 BetrVG Rz. 79.
[2] BAG, Urteil v. 24.8.1983, 7 AZR 475/81, juris.
[3] Zu weiteren Einzelheiten s. Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 79.
[5] Vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169, 177 ff., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17, unter B I 3 b cc der Gründe.
[6] BAG, Urteil v. 16.9.2004, 2 AZR 511/03, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 142 zu B I 2 der Gründe; vgl. Richardi/Thüsing, BetrVG, § 102 BetrVG Rz. 66.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge