Leitsatz (amtlich)

Ein auf die Ablehnung weiterer Fristverlängerung gestützter und erst kurz vor Aufruf der Sache gestellter Befangenheitsantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn er entgegen § 225 Abs. 3 ZPO nur der Erzwingung der zu Recht abgelehnten Fristverlängerung und der Aufhebung des Haupttermins dient, d.h. die Richterablehnung als taktisches Mittel zur Verfahrensverschleppung missbraucht wird. In einem solchen Fall gilt das Verbot des Entscheidens in eigener Sache nach § 45 Abs. 1 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 09.01.2017; Aktenzeichen 10 O 838/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 10.01.2017 gegen den ersten Beschluss des LG Erfurt vom 09.01.2017 (Nichtabhilfeentscheidung vom 28.02.2017) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 80.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt vor dem LG Erfurt mit einer Feststellungsklage (streitige) Schadensersatzansprüche aus einem seit dem 31.12.2013 beendeten Mietverhältnis. Das Verfahren ist seit Juni 2014 bei der 10. Zivilkammer des LG anhängig; Einzelrichter im Sinne des § 348 Abs. 1 ZPO ist Richter am LG (RLG) ...

Nach einem schriftlichen Vorverfahren fand am 05.09.2016 die Güteverhandlung mit unmittelbar anschließendem Haupttermin statt (Bd. I Bl. 192 ff.). Dort erörterte RLG ... mit den Parteien und ihren Anwälten die Sach- und Rechtslage und verkündete im Ergebnis der mündlichen Verhandlung am 26.09.2016 einen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.10.2016 zugestellten Beschluss (Bd. II Bl. 223 ff.), mit dem er Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 09.01.2017 bestimmte und der Klägerin aufgab, bis zum 10.11.2016 zu den von ihr behaupteten Mängeln (Beschädigungen der Mietsache) näher vorzutragen und Beweis anzutreten.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.11.2016 beantragte die Klägerin, die ihr gesetzte Schriftsatzfrist (s.o.) bis zum 10.12.2016 zu verlängern (Bd. II Bl. 226 f.). Diesem Antrag entsprach RLG ... mit Verfügung vom 18.11.2016 und dem Hinweis, dass die verlängerte Frist tatsächlich am 12.12.2016 - einem Montag - ablaufe (Bd. II Bl. 229 Rücks.). Am 12.12.2016 ging der Antrag der Klägerin beim LG ein, die Frist nochmals bis Ende Januar 2017 zu verlängern; gestützt auf den Vortrag, der Beklagten ein außergerichtliches Vergleichsangebot mit der Bitte unterbreitet zu haben, hierzu bis zum 06.01.2017 Stellung zu nehmen (Bd. II Bl. 230f). Den neuerlichen Fristverlängerungsantrag leitete RLG ... der Beklagten unter Hinweis auf § 225 Abs. 2 ZPO zur Stellungnahme bis zum 19.12.2016 zu (Bd. II Bl. 230 Rücks.). Bereits am 14.12.2016 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass diese das Vergleichsangebot der Klägerin "umgehend" abgelehnt habe und der Gewährung einer wiederholter Fristverlängerung widerspräche, die offenbar darauf gerichtet sei, die Aufhebung des Termins vom 09.01.2017 zu erreichen und den Rechtsstreit zu verzögern (Bd. II Bl. 232 ff.).

Mit Beschluss vom 15.12.2016 wies RLG ... den Fristverlängerungsantrag der Klägerin vom 12.12.2016 mit der Begründung zurück, mit Blick auf die umgehende ablehnende Reaktion der Beklagten auf das Vergleichsangebot der Klägerin fehle es an tragfähigen Gründen, die beantragte weitere Fristverlängerung, die zu einer Verlegung des Termins vom 09.01.2017 zwinge, zu bewilligen (Bd. II Bl. 234 ff.).

Am 06.01.2017 ging vorab per Fax ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beim LG ein, dem eine umfangreiche Auflistung noch vorhandener und zu besichtigender Mängel beigefügt war (Bd. II Bl. 240 ff.).

Wenige Minuten vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 09.01.2017 überreichte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin RLG ... ein handschriftliches Ablehnungsgesuch, dessen Begründung lautet wie folgt: "Richter ... hat einen zweiten Fristverlängerungsantrag mit unzutreffenden Gründen abgelehnt" (Bd. II Bl. 280). Nach Aufruf der Sache und Verlesung des Befangenheitsantrages verwarf RLG ... den Antrag als unzulässig. Der allein auf die nach § 225 Abs. 3 ZPO unanfechtbare Ablehnung der zweiten Fristverlängerung gestützte Befangenheitsantrag sei unzulässig, da ansonsten die Wertung des Gesetzgebers unterlaufen werde. Zudem zeige der Zeitpunkt des Befangenheitsantrages, dass der Klägerin tatsächlich nur an der Verhinderung der Verhandlung vom 09.01.2017 gelegen sei (Bd. II Bl. 282 und 284 f.).

Nach der Verkündung dieses Beschlusses formulierte und verlas der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen neuerlichen Befangenheitsantrag; diesmal gestützt auf die Begründung, RLG ... habe sich mit der Verwerfung des ersten Ablehnungsgesuches unzulässigerweise "zum Richter in eigener Sache gemacht" (Bd. II Bl. 282 und 286 f.) Auch den zweiten Befangenheitsantrag verwarf RLG ... selbst noch in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, der Antrag ziele allein darauf ab, die Verhandlung am heutigen Tag zu verhindern (Bd. ...

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