Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse in einem Verfahren der Grundsicherung zu erstattenden Gebühren

 

Orientierungssatz

1. Die nach § 56 Abs. 1 RVG statthafte Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten hinsichtlich der aus der Staatskasse nach § 55 RVG zu erstattenden Gebühren ist keiner gesetzlichen Frist unterworfen.

2. Das Erinnerungsrecht soll gleichwohl nicht "bis in alle Ewigkeit" bestehen bleiben. Insoweit wird eine Verwirkungsfrist von einem Jahr für angemessen gehalten.

3. Bei einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, unterdurchschnittlicher Schwierigkeit der Streitsache, knapp überdurchschnittlicher Bedeutung für den Kläger und dessen deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr festzusetzen.

4. Bei einer Terminsdauer von 15 Minuten ist bei Vernehmung eines Zeugen und Befragung des Klägers die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.

5. Bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und erklärter Erledigung des Rechtstreits fällt die Erledigungsgebühr nach Nrn. 1006, 1005 VV RVG in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr an.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. August 2016 (S 13 SF 1303/13 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 12 AS 2437/08 auf 443,26 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen (SG) anhängig gewesenes Verfahren (S 12 AS 2437/08) des von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägers.

Am 15. August 2008 erhob der Beschwerdeführer für den Kläger Klage gegen den Bescheid vom 24. Mai 2007 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2008. Am 30. Januar 2009 beantragte er Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung. Die Vorsitzende der 12. Kammer erklärte gegenüber dem Beschwerdeführer, PKH könne erst nach einer Begründung der Klage geprüft werden. Im Erörterungstermin am 18. Februar 2009, der von 9:00 Uhr bis 11:13 Uhr dauerte und acht weitere Verfahren des Klägers umfasste, wurde K. als Zeugin vernommen. Die Beklagte erklärte sich bereit, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Kläger monatlich 15,62 Euro zusätzliche Kosten der Unterkunft gewährt und ¾ der außergerichtlichen Kosten des Klägers getragen werden. Die Beteiligten erklärten den darüber hinausgehenden Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Mit Beschluss vom 20. Februar 2009 bewilligte das SG dem Kläger ab dem 19. Februar 2009 PKH ohne Kostenbeteiligung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Dieser begründete die Klage mit Schriftsatz vom 16. Februar 2009, der am 27. Februar 2009 beim SG einging. Die Kosten der Unterkunft seien unzutreffend ermittelt worden. Der Vermieter des Klägers habe die Objektreinigung aus den Betriebskosten des Mietobjektes herausgenommen und auf die Mieter zur Selbstübernahme umgelegt. Der Kläger habe hiermit seine Mutter beauftragt. Für 26 Reinigungen im Jahr habe er jeweils 10,00 Euro gezahlt. Hieraus ergebe sich ein monatlicher Aufwand in Höhe von 21,67 Euro.

Unter dem 31. Dezember 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

 170,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

 200,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG

 280,00 Euro

Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG

 7,50 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

20,00 Euro

Zwischensumme

677,50 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG

28,73 Euro

Summe 

806,23 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 23. August 2013 die zu zahlende Vergütung auf 699,13 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro, Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 3,60 Euro, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 3,90 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG: 111,63 Euro) fest. Die Einigungsgebühr werde in Höhe der Mittelgebühr als angemessen erachtet. Am 26. August 2013 veranlasste sie die Auszahlung der festgesetzten Gebühren.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer unter dem 23. September 2013 ohne Begründung Erinnerung eingelegt. Unter dem 11. September 2014 hat der Beschwerdegegner ebenfalls Erinnerung eingelegt und ausgeführt, dass ein Anspruch auf Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung nach § 45 des Rechtsanwaltsvergütu...

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