Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Für ein nachträgliches Zulassen der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG bei einem anwaltlich vertretenen Arbeitnehmer, ist zu fordern, dass der Prozessbevollmächtigte alles ihm Zumutbare unternommen hat, um die Klage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Hierbei muss sich der Arbeitnehmer lediglich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an einer Klagefristversäumung nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen, nicht aber das Verschulden von Hilfspersonen des Prozessbevollmächtigten. Soweit der Rechtsanwalt mit einem elektronischen Fristenkalender arbeitet, ist dieser so zu führen, dass er dieselbe Überprüfungssicherheit aufweist, wie ein gewöhnlicher Kalender. Es ist sicherzustellen, dass keine unzutreffenden Eintragungen oder Löschungen erfolgen.

 

Normenkette

KSchG § 5; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Entscheidung vom 01.04.2022; Aktenzeichen 2 Ca 1536/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 01.04.2022 - 2 Ca 1536/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

Der Kläger ist seit 15.04.2018 als "Lokführer " beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.08.2021, dem Kläger am 10.08.2021 zugegangen, ordentlich zum 30.09.2021. Der Kläger übersandte die Kündigung per E-​Mail am 10.08.2021 an das Büro seines Prozessbevollmächtigten und teilte auf telefonische Nachfrage der Büroangestellten ... mit, er bitte um Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Frau ... bestätigte dem Kläger daraufhin die Mandatsübernahme mündlich sowie schriftlich. Sie legte dem Prozessbevollmächtigten die E-​Mail des Klägers mit den handschriftlichen Vermerken vom 11.08.2021

"neue Sache für Sie?

- Frist KdgSchuKl auf 30.08.21 notieren

- alles weitere veranlassen?"

vor, die der Prozessbevollmächtigte mit "ja" bzw. "ja bitte" abzeichnete. Frau ... legte eine Akte an und trug die Frist 30.08.2021 zur Erhebung der Kündigungsschutzklage in das elektronische Anwaltsprogramm ein. Sie versah die Notierung der Frist 30.08.2021 am 12.08.2021 mit dem Erledigungsvermerk und Namenskürzel auf der E-​Mail des Klägers, die sie zur Handakte nahm und dem Prozessbevollmächtigten vorlegte.

Eine fristgerechte Vorlage der Akte erfolgte nicht. Auf einen Anruf des Klägers am 07.09.2021 wurde festgestellt, dass die Frist 30.08.2021 nicht im Account des Prozessbevollmächtigten, sondern im Account "Hilfskraft", der nur sporadisch von Referendaren oder studentischen Hilfskräften genutzt wird und während des fraglichen Zeitraums von niemanden geöffnet wurde, eingetragen worden war.

Der Kläger hat mit dem am 21.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt, die Klage gem. § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 76 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit Zwischenurteil vom 01.04.2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe die Eingabe der Frist in den elektronischen Fristenkalender nicht ordnungsgemäß durch Fertigung eines Kontrollausdrucks kontrolliert. Es handle sich insofern um ein Organisationsverschulden, dass sich der Kläger zurechnen lassen müsse. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 78 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.06.2022 zugestellte Urteil am 11.07.2022 Berufung eingelegt und die Berufung am 13.09.2022 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 11.08.2022 eingegangenen Antrag bis zum 13.09.2022 verlängert worden war.

Der Kläger ist der Auffassung, die Notierung, Kontrolle und Bearbeitung der Fristen seien einfache Tätigkeiten, die dem geschulten und zuverlässigen Büropersonal des Prozessbevollmächtigten zur selbstständigen Erledigung übertragen werden dürften. Fehler des Personals bei der Ausführung dieser einfachen Tätigkeiten seien nicht von der Partei zu vertreten. Das sei hier der Fall. Der Prozessbevollmächtigte habe die Eintragung der Frist auch ordnungsgemäß kontrolliert. Er habe aufgrund des handschriftlichen Erledigungsvermerks der Angestellten Zacher auf der E-​Mail des Klägers von einer ordnungsgemäßen Eintragung der Frist 30.08.2021 in seinem Account des elektronischen Fristenkalenders ausgehen können. Es sei abwegig, die Fertigung eines Ausdrucks zur Kontrolle der Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender zu verlangen und in der Zeit der elektronischen Aktenführung auch realitätsfremd. Wäre von einem Rechtsanwalt zu erwarten, die Eintragung einer Frist im Kalender, gleich ob elektro...

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