Verfahrensgang

ArbG Jena (Urteil vom 18.02.1993; Aktenzeichen 2 Ca 227/92)

 

Tenor

Es ergeht folgendes

Urteil:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 18.02.1993 – 2 Ca 227/92 a – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten Zahlung einer der Höhe nach unstreitigen Abfindung nach dem Tarifvertrag über die Qualifizierung und Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung vom 01.08.1991 (im folgenden: GPH-II-TV) verlangen kann.

Die Klägerin war bis zum 31.10.1990 bei der Fa. Handels- und Gaststättenverbund J. GmbH i. A., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, als Verkäuferin beschäftigt. Die Fa. Handels- und Gaststättenverbund J. GmbH i. A. war durch gesetzliche Umwandlung aus dem ehemaligen volkseigenen (Handels-)Betrieb (HO) Industriewaren J. hervorgegangen, in dessen Diensten die Klägerin seit 1966 gestanden hatte.

Die Klägerin war zuletzt als stellvertretende Verkaufsstellenleiterin im Schreibwarengeschäft H. in J. tätig. Sie erzielte bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 857,14 DM.

Im Zuge der Privatisierung der Betriebe der ehemaligen Handelsorganisation (HO) kaufte der bisherige Verkaufsstellenleiter R. unter gleichzeitiger Anmietung der Räumlichkeiten das Schreibwarengeschäft mit Wirkung zum 01.11.1990. Der Erwerber sagte zu, die in der Verkaufsstelle tätigen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sich diese Zusage auf die Übernahme der Arbeitsverhältnisse oder die Neueinstellung der Arbeitnehmer bezog. Die zwischen Veräußerer und Erwerber getroffene schriftliche Vereinbarung, um deren Vorlage das Berufungsgericht gebeten hat, konnte die Beklagte nicht auffinden.

Am 30.10.1990 schloß die Klägerin mit dem damaligen Arbeitgeber, vertreten durch die Personalleiterin S., unter Verwendung eines auf die Rechtslage gem. §§ 51, 52 AGB/DDR bezugnehmenden Formulars einen Aufhebungsvertrag zum 31.10.1990 (Bl. 115 und 116 d. A.). Als Grund ist angegeben: „Privatisierung der Filiale”.

Die im ersten Rechtszug unstreitige Behauptung der Klägerin, dieser Aufhebungsvertrag sei auf Veranlassung des damaligen Arbeitgebers abgeschlossen worden, hat die Beklagte im Berufungsverfahren streitig gestellt.

Der Erwerber R. führte das Schreibwarengeschäft nach dem 01.11.1990 fort. Die Klägerin wurde, ebenso wie die weiteren dort tätigen drei Arbeitnehmer, weiterbeschäftigt.

Am 27.11.1990 erfolgte der Abschluß eines Anstellungsvertrages, wonach die Klägerin ab 01.11.1990 als Verkäuferin mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden eingestellt wurde. Von der Vereinbarung einer Probezeit wurde abgesehen. Die Bruttomonats Vergütung betrug 900,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Ablichtung zur Akte gereichte Vertragsurkunde vom 27.11.1990 Bezug genommen (Bl. 10 und 11 d. A.).

Das mit dem Erwerber R. bestehende Arbeitsverhältnis ist zwischenzeitlich durch Eigenkündigung der Klägerin zum April 1994 beendet worden.

Am 01.08.1991 schloß die Gesellschaft zur Privatisierung des Handels, eine Treuhandtochter und die Deutsche Angestelltengewerkschaft den GPH-II-TV, der – wie die Parteien unstreitig gestellt haben (Bl. 111 d. A.) – kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das bis zum 31.10.1990 mit der Fa. Hotel- und Gaststättenverbund J. GmbH i. A. bestehende Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Dieser Tarifvertrag regelt in § 2 Abs. 1:

Der Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die durch Arbeitgeberkündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers vom 01.07.1990 bis 31.12.1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind und auf die der Tarifvertrag vom 28.01.1991 nicht anwendbar ist.

§ 3 Abs. 1 lautet:

Alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gem. § 2 beendet worden ist auf die nicht § 4 (Abfindung bei Vorruhestand und Rente) anzuwenden ist, erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes von 25 % des Bruttomonatseinkommens pro anrechnungsfähigen Anrechnungsjahr. Maßgebend ist das Einkommen, das der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen hat.

Der Tarifvertrag vom 28.01.1991 (im folgenden: GPH-I-TV) lautet, soweit vorliegend von Interesse:

§ 2

Geltungsbereich

1. Der Tarifvertrag gilt,

  1. für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine nach dem 31.12.1990 zugegangene Arbeitgeberkündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird,
  2. für alle Arbeitnehmer gem. § 4

2. § 8 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages gilt auch für Arbeitnehmer, die

  1. nach dem 15.10.1990 gekündigt worden sind und deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.1990 endet,
  2. am 15.10.1990 das 55. Lebensjahr vollendet hatten und nach dem 15.10.1990 ausgeschieden sind.

§ 4

Betriebsübergang

1. Gehen Betriebe oder Betriebsteile durch Rechtsgeschäft auf einen Erwerber über, so wird die GPH durch Begründung entsprechender Pflichten im Kaufve...

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