Rdn 966

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.

 

Rdn 967

1. Die dogmatische Herleitung des Nemo-Tenetur-Grundsatzes ist fraglich. Jedenfalls genießt er Verfassungsrang, sei es als selbstverständlicher Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung, die auf der Menschenwürde beruht (vgl. BVerfGE 38, 105, 113), oder sei es aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfGE 95, 220, 241) bzw. dem Grundrecht auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfGE 109, 279, 324). Hieraus ergibt sich aber nicht nur ein Schweigerecht des Beschuldigten (vgl. Burhoff, EV, Rn 1595 ff.), sondern als Kehrseite das Verbot durch Zwang, Täuschung oder andere unzulässige Einwirkungen zu einer Aussage zu kommen (zu unzulässigen Vernehmungsmethoden Burhoff, EV, Rn 3767 ff.). Der Grundsatz schützt damit vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung. Das kann auch in den Fällen problematisch werden, in denen einerseits eine gesetzliche Auskunftsverpflichtung besteht und diese Auskünfte nun in ein Strafverfahren gegen den Betreffenden transferiert werden sollen (vgl. BVerfG, NJW 2005, 352). Als Kehrseite des Grundsatzes darf damit auch Schweigen nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden (vgl. BVerfG NStZ 1995, 555 f.). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt, was voraussetzt, dass er über sein Schweigerecht informiert wird (vgl. BVerfG NJW 2014, 3506 ff.).

 

☆ Einfach-rechtlich ist der Grundsatz durch §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1, 55, und 136a Abs. 1 und 2 abgesichert (vgl. Umbach/Clemens/Dollinger/ Niemöller , Kap. A, Rn 18). ist der Grundsatz durch §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1, 55, und 136a Abs. 1 und 2 abgesichert (vgl. Umbach/Clemens/Dollinger/Niemöller, Kap. A, Rn 18).

 

Rdn 968

2. Auch im Zivilprozess ist die Partei oder Zeuge nicht verpflichtet, Tatsachen zu nennen, die ihr/ihm zur Unehre gereichen oder eine strafbare Handlung offenbaren (vgl. BVerfGE 56, 37, 45). Bestimmen einfach-rechtliche Verfahrensbestimmungen (§ 97 Abs. 1 S. 2, 3 InsO) dennoch eine Offenbarungspflicht, folgt daraus ein Verwertungsverbot (vgl. Roxin/Schünemann, a.a.O., § 25 Rn 13).

 

☆ Ein Verwertungsverbot besteht allerdings dann nicht , wenn es keinen staatlichen Zwang zur Offenbarung, d.h. keine staatlichen Zwangsmaßnahmen im Fall der Nichtoffenbarung gibt, wie dies etwa bei Angaben gegenüber einer Haftpflichtversicherung ist (vgl. BVerfG NStZ 1995, 599).Verwertungsverbot besteht allerdings dann nicht, wenn es keinen staatlichen Zwang zur Offenbarung, d.h. keine staatlichen Zwangsmaßnahmen im Fall der Nichtoffenbarung gibt, wie dies etwa bei Angaben gegenüber einer Haftpflichtversicherung ist (vgl. BVerfG NStZ 1995, 599).

Siehe auch: → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 729, m.w.N.; → Verfassungsbeschwerde, Begründung, Beweisverbote, Teil C Rdn 816; → Verfassungsbeschwerde, Begründung, faires Verfahren, Teil C Rdn 863.

[Autor] Geipel

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