Das Wichtigste in Kürze:

1. Bei der Geltendmachung von Beweisverwertungsverboten bestehen höchste Substantiierungsanforderungen.
2. Die Rechtsprechung hält ein Verwertungsverbot für eine begründungspflichtige Ausnahme, die von Verfassungs wegen zwingend sein muss.
3. Die Rechtsprechung geht im Wesentlichen von Einzelfallentscheidungen, statt von einer fundierten Dogmatik aus.
4. In der Rechtsprechung findet ein (i.d.R. unprognostizierbarer) Abwägungsprozess statt.
5. Nach a.A. – die kaum zu widerlegen ist – liegt bei einer unzulässigen Beweiserhebung bzw. Beweisverwertung bereits ein Verfassungsverstoß gegen die Prinzipien des Vorbehalts und Vorrangs des Gesetzes vor.
 

Rdn 817

 

Literaturhinweise:

Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., 2013

Barton, Kennzeichen und Effekte der modernen Revisionsrechtsprechung, StV 2004, 332

Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2007

Dallmeyer, Beweisführung im Strengbeweisverfahren, 2008

Geuther, Hohe Hürden, DRiZ 2000, 286

Hassemer, Die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" – ein neuer Rechtsbegriff?, StV 1982, 275

Jahn, Die Substantiierung der Verfassungsbeschwerde in Strafsachen, in: Festschrift für Widmaier, 2008, S. 821

ders., Strafverfolgung um jeden Preis? – Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel StraFo 2011, 117

Kühne, Beweisführung im Strengbeweisverfahren. Die Beweisbefugnisse als Voraussetzungen der Wahrheitserforschung im Strafprozess, StV 2003, 422

Schmidt, Die Verletzung der Belehrungspflicht gemäß StPO § 55 II als Revisionsgrund, JZ 1958, 596

Schmidt, Der Strafprozess – Aktuelles und Zeitloses in: Strafprozess und Rechtsstaat, 1970, S. 284

Volk, Bin ich "Jurist als solcher" – und wenn ja, wie viele?, ZIS 2012, 214

Vordermayer/von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Handbuch für den Staatsanwalt, 5. Aufl., 2015, zitiert: HB Staatsanwalt-Bearbeiter

Weigend, Gutachten C für den 62. DJT 1998

s.a. die Hinw. bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.

 

Rdn 818

1.a) Die Beweisaufnahme ist das Herzstück des Strafverfahrens. Max Alsberg stellte 1930 Folgendes fest: "Auf keinem Rechtsgebiet ragt ein einzelnes Problem so hervor, wie auf dem Gebiet des Strafprozesses das Beweisproblem. Es ist schlechterdings das Zentralproblem des Strafprozesses und als prozessuales Problem zugleich ein einzigartiges […] Dass die hier wichtigste Aufgabe für eine dem Leben dienende Strafprozessdoktrin liegt, blieb auffälliger Weise unbemerkt" (Alsberg im Vorwort zur ersten Aufl. des später von Nüse u. Meyer fortgeführten Werks, "Der Beweisantrag im Strafprozess", so abgedr. in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 5. Aufl. 1983, VII.). Das gilt heute immer noch.

 

Rdn 819

b) Wer ein verfassungsrechtliches Beweisverbot geltend machen will, tut gut daran, die Sedlmayr-Entscheidung zu beachten. In einem obiter dictum stellte das BVerfG zwar einen Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens fest, es hielt die Verfassungsbeschwerde aber für unzulässig (s. dazu auch: → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, Substantiierungsanforderungen, Teil C Rdn 1193): "Die Beschwerdeführer versäumen es aber, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob und gegebenenfalls welche Folgerungen aus diesem Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren für die Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse in der HV zu ziehen sind. Lehnen Strafgerichte die Annahme eines Verwertungsverbots bezüglich im Ermittlungsverfahren gewonnener Erkenntnisse ab und berücksichtigen sie diese in ihrem strafgerichtlichen Urteil, muss ein Beschwerdeführer – um den verfassungsprozessualen Begründungsanforderungen zu genügen – auf die Frage eingehen, ob und warum eine Beweisverwertung unzulässig ist und inwiefern die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots seine verfassungsrechtlich verbürgten Rechte beeinträchtigt. Dies setzt regelmäßig zwar auch eine Befassung mit dem der Beweisverwertung zugrunde liegenden Vorgang der Beweisgewinnung voraus, weil seine Beurteilung – als rechtmäßig, als einfach-rechtlicher Verstoß gegen strafverfahrensrechtliche Vorschriften oder sogar als Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen – für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots von ausschlaggebender Bedeutung ist. Grundsätzlich ist es damit aber nicht getan, sich ausschließlich mit der Frage der Zulässigkeit oder Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung auseinander zu setzen, weil sich allein daraus nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot ableiten lässt, jedenfalls nicht feststeht, ob die Ablehnung eines Verwertungsverbots Verfassungsrecht verletzt" (BVerfG NStZ 2000, 489).

 

☆ Geuther fasst die Lehren des Falles wie folgt zusammen: Die Kammer [des BVerfG] vermisste Ausführungen, warum das demnach konstatierte Erhebungs- zu einem Verwertungsverbot führen sollte. Die fehlten in der Verfassungsbeschwerde tatsächlich, konzentrierte die sich doch noch auf die Argumentation des BGH zur Erhebung. Darüber hinaus stand die Klärung einer reinen Rechtsfrage aus – und gerade di...

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