Das Wichtigste in Kürze:

1. Gegen die Einleitung eines EV als solches kann – sofern nicht Willkür vorliegt – kein Rechtsschutz erlangt werden.
2. Auch die Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Strafverfolgungsbehörden unterliegt nach h.M. nicht der richterlichen Überprüfung.
3. Die spruchrichterliche Tätigkeit als solche soll – trotz ihres erheblichen Eingriffscharakters – nicht öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG darstellen.
4. Im Bereich der Justiziabilität von Gnadenentscheidung ist fraglich, ob eine gerichtliche Kontrolle möglich ist.
 

Rdn 850

 

Literaturhinweise:

Eschelbach/Geipel/Weiler, Anhörungsrügen, StV 2010, 325

Prantl, Nachruf auf den aufgeklärten Strafprozess – Der Deal wird Gesetz: Der Präventionsstaat findet damit die ihm adäquate Verfahrensform –, ZAP-Sonderheft 2009, 54

Rautenberg, Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland, NJW-Aktuell, Heft 50, S. 12

Schünemann, Der deutsche Strafprozeß im Spannungsfeld zwischen Zeugenschutz und materieller Wahrheit, StV 1998, 391

ders., Der Richter im Strafverfahren als manipulierter Dritter? Zur empirischen Bestätigung von Perseveranz- und Schulterschlußeffekt, StV 2000, 159

s.a. die Hinw. bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.

 

Rdn 851

1.a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert "effektiven Rechtsschutz". Gegen die Einleitung eines EV als solches kann – sofern nicht Willkür vorliegt – kein Rechtsschutz erlangt werden (vgl. BVerfG NStZ 2004, 447; → Justizverwaltungsakt, Anfechtung [§§ 23 ff. EGGVG], Durchführung eines Vorverfahrens, Teil B Rdn 358; → Justizverwaltungsakt, Anfechtung [§§ 23 ff. EGGVG], Maßnahmen im Ermittlungsverfahren, Teil B Rdn 400). Praktisch bedeutsam ist, dass die Einstellung eines EV nicht mit der Begründung verlangt werden kann, dass andere wegen entsprechender Taten nicht verfolgt würden (BVerfGE 21, 245, 261). Das begründet das BVerfG (a.a.O.) damit, dass die Unterlassung der strafrechtlichen Verfolgung anderer Personen das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht willkürlich oder rechtsstaatswidrig mache. Eine solche Unterlassung könne nur dazu führen, dass die Strafverfolgungsbehörden in geeigneter Weise dazu angehalten werden, auch diese etwaigen Vergehen anderer pflichtgemäß zu verfolgen, keinesfalls aber dazu, auch die Straftaten des Beschwerdeführers von dem gesetzlichen Verfolgungszwang (§ 152 Abs. 2) auszunehmen oder gar das Verfahren gegen ihn nach § 153 Abs. 2 einzustellen.

 

Rdn 852

b) Dass es hiergegen keinen Rechtsschutz gibt, ist bedauerlich, denn der Praktiker kennt in der täglichen Rechtsanwendung große Ungerechtigkeiten. Das Verfahren gegen Josef Ackermann von der Deutschen Bank wurde gegen Zahlung von 3,2 Mio. EUR gem. § 153a eingestellt, das gegen Helmut Kohl gegen Zahlung von 300.000,– DM, das gegen Gerold Tandler gegen Zahlung von 150.000,– DM, das gegen Steffi Graf – wie Insider sagen – gegen Zahlung von 1,3 Mio. DM, aber gleichwohl ist der Eindruck, dass die Großen anders als die Kleinen behandelt werden, falsch. § 153a könnte demnach Herr- und Frau-Mustermann-Paragraf heißen (vgl. Prantl, a.a.O., S. 54, 60 ff.). Die Ungerechtigkeit, gegen die es keinen Rechtsschutz gibt, besteht nicht in der Ungleichbehandlung von Großen und Kleinen, sondern in der Ungleichbehandlung unter Kleinen oder Großen. Was in dem einen Fall zu einer Einstellung gem. § 153a führt, führt in dem anderen Fall, in dem keine nennenswerten Unterschiede vorliegen, zur Existenzgefährdung durch eine Verurteilung.

 

Rdn 853

Schoreit hat nicht unrecht, wenn er den gegenwärtigen Zustand wie folgt beklagt: "In Wirklichkeit hat der Gesetzgeber sich hier, wie auch bei anderen Regelungen zur Ausdehnung des “Opportunitätsprinzips’ seiner Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtsgewährung in unverantwortlicher Weise entzogen, was, will man die Strafrechtspflege wieder effektiver gestalten, alsbald zu korrigieren wäre […]." Im Ergebnis wird über § 153a eine “Erledigungsmethode’ legalisiert, die hinsichtlich Voraussetzungen und Auswirkungen weder ausreichend erforscht noch hinreichend durchdacht und verfahrensrechtlich abgesichert ist (vgl. KK/Schoreit, § 153a Rn 4). Es ist daher zweifelhaft, wenn das BVerfG einerseits annimmt, dass die StA Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe ist (so BVerfG, NJW 2013, 1058), aber andererseits in der Praxis die Weisungsgebundenheit der StA beobachtet wird, die z.B. im Falle ministerieller Richtlinien dazu führt, dass die Behandlung des Betäubungsmittelkonsums von Land zu Land erheblich differiert (vgl. Rautenberg, a.a.O., S. 12). Weiter muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass sich aus dem Grundgesetz grds. kein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entnehmen lässt. "Etwas anderes kann bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person der Fall sein, bei Straftaten, bei denen sich die Opfer in einem besonderen Obhutsverhältnis der öffentlichen Hand be...

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