Das Wichtigste in Kürze:

1. Die EMRK kennt kein gesondertes Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes, das neben oder vor dem Verfahren der Menschenrechtsbeschwerde betrieben werden müsste oder könnte.
2. Die Bezeichnung vorläufiger Maßnahmen erfolgt durch die Kammer oder ihren Präsidenten auf Antrag oder von Amts wegen (Art. 39 Abs. 1 VerfO-EGMR).
3. Art. 41 VerfO-EGMR ermöglicht dem EGMR, bei der Reihenfolge, in der er seine Fälle behandelt, Bedeutung und Dringlichkeit zu berücksichtigen.
4. In dringenden Fällen kann der EGMR gem. Art. 40 VerfO-EGMR den belangten Staat durch "jedes verfügbare Mittel" von der Beschwerde informieren und ihm zusammenfassende Informationen zukommen lassen.
 

Rdn 150

 

Literaturhinweise:

Krüger, Vorläufige Maßnahmen nach Art. 36 der Verfahrensordnung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (insbesondere in Ausweisungs- und Auslieferungsfällen), EuGRZ 1996, 346

Myer/Mol/Kempees/v. Steijn/Bockwinkel/Uerpmann, EGMR-Verfahren – Die häufigsten Irrtümer bei Einreichen einer Beschwerde, MDR 2007, 505

Oellers-Frahms, Verbindlichkeit einstweiliger Maßnahmen: Der EGMR vollzieht – endlich – die erforderliche Wende in seiner Rechtsprechung, EuGRZ 2003, 689

dies., Verbindlichkeit einstweiliger Anordnungen des EGMR – Epilog, EuGRZ 2005, 347

Schmahl, Piloturteile des EGMR als Mittel der Verfahrensbeschleunigung, EuGRZ 2008, 369

Wittinger, Die Einlegung einer Individualbeschwerde vor dem EGMR, NJW 2001, 1238

s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2, m.w.N.

 

Rdn 151

1. Die EMRK kennt kein gesondertes Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes, das neben oder vor dem Verfahren der Menschenrechtsbeschwerde betrieben werden müsste oder könnte. Die Effektivität des Rechtsschutzes gewährleistet die Verfahrensordnung des EGMR durch die Möglichkeit der Ergreifung vorläufiger Maßnahmen (Art. 39 EMRK) oder der bevorzugten Behandlung (Art. 41 EMRK) eines Falles (vgl. Rdn 152 ff.). Begleitet werden können diese Maßnahmen durch eine dringliche Mitteilung (Art. 40 EMRK) an den betroffenen Vertragsstaat.

 

Rdn 152

2.a) Die Bezeichnung vorläufiger Maßnahmen ("interim measures"/"mesures provisoires") erfolgt durch die Kammer oder ihren Präsidenten auf Antrag oder von Amts wegen (Art. 39 Abs. 1 VerfO-EGMR). Sie hat aufgrund der fehlenden aufschiebenden Wirkung einer Menschenrechtsbeschwerde den Zweck, das Fortbestehen des Beschwerdegegenstands (→ Menschenrechtsbeschwerde, Beschwerdegegenstands, Teil C Rdn 62) zu erhalten (EGMR [GK], Urt. v. 4.2.2005 – 46827/99 [Mamatkulov u. Askarov/Türkei Nr. 108, 113]) und kann sich daher auf die gesamte Dauer des Verfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft erstrecken (EGMR, Urt. v. 7.3.2006 – 6339/05 [Evans/Vereinigtes Königreich Nr. 77] zur Anordnung der Aufrechterhaltung bis zu diesem Zeitpunkt, insoweit nicht in der deutschen Übersetzung in EuGRZ 2006, 389). Antragsberechtigt sind die Parteien sowie jede andere betroffene Person.

 

☆ Der EGMR hat für die Korrespondenz bezüglich vorläufiger Maßnahmen eine besondere Telefaxnummer eingerichtet, die er auf seiner Internetseite bekannt gibt (Basic texts/Practice directions/Interim measures, hier: more information – 0033 3 88 41 39 00). Unter Verwendung einer anderen Telefaxnummer ist die zügige weitere Bearbeitung beim EGMR nicht gewährleistet.besondere Telefaxnummer eingerichtet, die er auf seiner Internetseite bekannt gibt (Basic texts/Practice directions/Interim measures, hier: more information – 0033 3 88 41 39 00). Unter Verwendung einer anderen Telefaxnummer ist die zügige weitere Bearbeitung beim EGMR nicht gewährleistet.

 

Rdn 153

b) Seine weiteren Anforderungen an einen Antrag auf Bezeichnung vorläufiger Maßnahmen hat der EGMR durch Verfahrensanordnungen i.S.v. Art. 32 VerfO-EGMR (practice directions requests on interim measures/instructions pratiques les demandes concernent les sujets mesures provisoires), die er auf seiner Internetpräsenz unter den Rubriken Basic Texts/Rules/Practice directions zur Einsicht zur Verfügung stellt, konkretisiert.

 

Rdn 154

c) Danach muss jeder Antrag hinreichend begründet werden. Insbesondere muss der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf eingeräumte Konventionsrechte substantiiert darlegen, welchen Rechtsverlust er aus welchen Gründen fürchtet; er kann nicht lediglich auf andere Ausführungen verweisen. Sein Gesuch soll der Beschwerdeführer möglichst in einer der Verfahrenssprachen einreichen und als Gesuch in Fettdruck nach Art. 39 der Verfahrensordnung kenntlich machen ("Rule 39 urgent – person to contact: … (Name und Kontaktangaben) sowie in Ausweisungs- Auslieferungs- oder Abschiebungsfällen: date and time of removal and destination: …"/"Article 39. Urgent – Personne contact [Renvoi prévu pour le …]") und ihm alle erforderlichen Unterlagen beifügen, insbesondere relevante innerstaatliche Entscheidungen oder sonstige, sein Vorbringen wesentlich stützende Unterlagen. Der EGMR behält sich vor, unvollständige Gesuche nicht zu beantworten.

 

☆ In ...

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