Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Strafgericht hat die behördliche Sperrung eines Beweismittels auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.
2. Ziel einer Gegenvorstellung ist es, die oberste Dienstbehörde zu einer Überprüfung ihrer Entscheidung zu veranlassen, ein bestimmtes Beweismittel für das Strafverfahren zu sperren.
3. Die gerichtliche Aufklärungspflicht kann das Gericht zu der Erhebung einer Gegenvorstellung zwingen.
 

Rdn 659

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 677.

 

Rdn 660

1. Das Strafgericht hat aufgrund seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) eine Sperrerklärung, die auf eine Beweismittelanforderung hin von einer Behörde nach § 96 erlassen wurde, darauf zu überprüfen, ob die Sperrung rechtmäßig ist und wie ggf. eine Beweiserhebung in der HV ermöglicht werden kann (s. etwa BGH NStZ 1989, 282).

 

Rdn 661

Ist das Gericht der Auffassung, die Sperrung des Beweismittels sei rechtmäßig, können Sicherheitsbedenken der Behörde ggf. durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen im Strafprozess ausgeräumt werden. Dazu hat das Gericht alle nach den Umständen gebotenen Bemühungen zu entfalten, um das der Beweiserhebung entgegenstehende Hindernis zu beseitigen (so BGHSt 36, 159, 161 m.w.N.; StV 2004, 241, 242 m. Anm. Wattenberg; siehe hierzu → Sperrerklärung, Begründetheit einer Klage, Teil B Rdn 644 f.).

 

Rdn 662

Kommt das Gericht dagegen zu der Überzeugung, die Sperrerklärung sei nicht rechtmäßig, kann es versuchen, ihre Aufhebung zu erreichen. Die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung kann sich dabei etwa aus einer fehlenden oder unverständlichen Begründung, ihrem Beruhen auf einer unrichtigen tatsächlichen Grundlage oder auf einer falschen Rechtsanwendung durch die Behörde ergeben (BGH NStZ 1989, 282; 2010, 445, 448). Entsprechendes gilt, wenn die Sperrerklärung bereits älter ist und sich die Umstände seit ihrem Erlass geändert haben (BGH, Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR 803/94; s.a. BGH StV 2004, 241, 242 [bloßer Zeitablauf reicht für sich genommen nicht aus]).

 

☆ Das Strafgericht ist jedoch nicht befugt , selbst Klage gegen eine Sperrerklärung zu erheben, da ihm als staatlichem Organ ein eigenes Klagerecht nicht zusteht (siehe →  Sperrerklärung, Rechtsmittel , Teil B Rdn  683 ). Es bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer gegen die Sperrerklärung gerichteten Gegenvorstellung bei der obersten Dienstbehörde; unter Umständen ist das Gericht hierzu verpflichtet (s.u. Rdn  664 ).Strafgericht ist jedoch nicht befugt, selbst Klage gegen eine Sperrerklärung zu erheben, da ihm als staatlichem Organ ein eigenes Klagerecht nicht zusteht (siehe → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 683). Es bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer gegen die Sperrerklärung gerichteten Gegenvorstellung bei der obersten Dienstbehörde; unter Umständen ist das Gericht hierzu verpflichtet (s.u. Rdn 664).

 

Rdn 663

2. Ziel einer Gegenvorstellung ist es, die oberste Dienstbehörde zu einer Überprüfung ihrer Entscheidung zu veranlassen, ein bestimmtes Beweismittel für das Strafverfahren zu sperren. Dabei soll die Behörde vor die Alternative gestellt werden, die vom Gericht beanstandeten Mängel, etwa bei der Begründung der Sperrung oder im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Abwägung, entweder zu beseitigen oder die Sperrerklärung zurückzunehmen (BGHSt 36, 159, 1612). Hält die oberste Dienstbehörde die Sperrerklärung auf die Gegenvorstellung hin aufrecht, besteht i.d.R. keine Verpflichtung des Strafgerichts zu einer wiederholten Gegenvorstellung (BGH NStZ 1989, 282). Allerdings ist der Umstand, dass eine umfassende Beweiserhebung durch die Behörde verhindert worden ist, bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BVerfG StV 2010, 337, 338 [gesteigerte Sorgfalt]; BGH, a.a.O.; NStZ-RR 2002, 176; KK-Greven, § 96 Rn 14; s.a. Burhoff, HV, Rn 3341 f.).

 

Rdn 664

3.a) Das Gericht kann unter Aufklärungsgesichtspunkten dazu verpflichtet sein, eine Gegenvorstellung gegen eine Sperrerklärung zu erheben (vgl. näher BGH NStZ 2010, 445, 448; Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR 803/94; LR-Menges, § 96 Rn 79, 81).

 

Rdn 665

Das ist der Fall, wenn

die Sperrerklärung nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig ist,
die Aufklärungspflicht zu einer Erhebung des gesperrten Beweises drängt und
die konkrete Aussicht besteht, dass die Behörde ihren Standpunkt, die angeforderten Akten dem Strafgericht nicht zur Verfügung zu stellen bzw. die erwünschten Auskünfte nicht zu erteilen, ändern wird (BGH StV 2004, 241, 242; Urt. v. 7.3.1995 – 1 StR 803/94; s.a. BGHSt 36, 159, 162 [eine Gegenvorstellung könne unterbleiben, wenn sie "von vorneherein aussichtslos sei"]).
 

Rdn 666

b) Erhebt das Gericht trotz Vorliegens der genannten Voraussetzungen keine Gegenvorstellung, kann ein hierin liegender Verstoß gegen die Aufklärungspflicht mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden (s. nur Meyer-Goßner/Schmitt, § 96 Rn 15). Zur zulässigen Erhebung der Rüge ist nach § 344 Abs. 2 erforderlich, das gesperrte Beweismittel zu bezeichnen und die Sperrerklärung jedenfal...

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