Das Wichtigste in Kürze:

1. Das VG prüft, ob die Sperrerklärung formell wirksam ist und die Behörde ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt hat.
2. Nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO ist die oberste Aufsichtsbehörde (auch) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren berechtigt, die Vorlage von Akten oder die Erteilung von Auskünften zu verweigern.
3. Die Sperrerklärung ist nach § 96 formell ordnungsgemäß zustande gekommen, wenn sie von der zuständigen obersten Dienstbehörde erlassen worden ist.
4. Der Sperrerklärung liegt ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde, wenn die Behörde sie auf die in § 96 genannten Gründe gestützt hat.
5. Der Erlass einer Sperrerklärung ist nach § 96 nur möglich, wenn das Bekanntwerden der Akten der Behörde oder der sonstigen vom Strafgericht gewünschten Auskünfte im konkreten Fall dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde.
6. Die Behörde muss weiter prüfen, ob unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ggf. ein milderes Mittel als die Nichtvorlage der vom Strafgericht geforderten Akten oder die Nichterteilung der erwünschten Auskünfte in Betracht kommt.
7. Kommt die Vernehmung eines Informanten in der HV ausnahmsweise nicht in Betracht, erlässt die Behörde also eine umfängliche Sperrerklärung nach § 96, ist der gesperrte Zeuge als Beweismittel unerreichbar i.S.v. § 244 Abs. 3 Alt. 5.
8. Hinsichtlich der Folgen des Ausgangs eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittels für die strafrechtliche HV ist zu unterscheiden, ob das VG die Klage abgewiesen oder ihr stattgegeben hat.
 

Rdn 620

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 677.

 

Rdn 621

1. Die Klage gegen eine Sperrerklärung ist begründet, wenn die Rechte des Klägers, insbesondere also das Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, durch die Sperrung des Beweismittels verletzt werden. Da ein eigenständiger Vorlage- oder Auskunftsanspruch des Angeklagten selbst oder eines anderen Verfahrensbeteiligten gegen die Behörde nicht besteht, kann sich eine Rechtsverletzung allein aus der rechtswidrigen Ablehnung eines entsprechenden (straf-)gerichtlichen Ersuchens ergeben (siehe → Sperrerklärung, Zulässigkeit einer Klage, Teil B Rdn 696). Das VG (siehe zum Rechtsweg → Sperrerklärung, Rechtsmittel, Teil B Rdn 684) prüft auf eine zulässige Klage, ob die sperrende Behörde Gründe dargelegt und belegt hat, die die Feststellung zulassen, die Verweigerung der Aktenvorlage oder Auskunftserteilung sei aus einem der in § 96 genannten Gründe unumgänglich (BVerfG NJW 1981, 1719, 1724 f.; BVerwG NJW 1987, 202, 203; DVBl 1984, 857; LR-Menges, § 96 Rn 111). Dabei kann allein aus einem sicherheitsrelevanten Aufgabenbereich der Behörde nicht automatisch auf ein Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen geschlossen werden (siehe dazu BVerfG NJW 1981, 1719, 1724; BVerwG NJW 1987, 202, 204). Andererseits rechtfertigt die Durchführung eines Strafverfahrens für sich genommen nicht eine ausnahmslose Aufdeckung geheimhaltungsbedürftiger Vorgänge, da hierdurch die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben wesentlich erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden könnte (BVerwG, a.a.O.). Das VG hat daher die gegenläufigen Interessen der Behörde, die für eine Sperrung des Beweismittels sprechen, und des klagenden Verfahrensbeteiligten auf Einführung des Beweismittels in den Strafprozess gegeneinander abzuwägen.

 

Rdn 622

2. Nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO ist die oberste Aufsichtsbehörde (auch) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren berechtigt, die Vorlage von Akten oder die Erteilung von Auskünften zu verweigern, wenn deren Bekanntwerden dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Vorgänge nach dem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Hiervon wird die Behörde angesichts der von ihr für das Strafverfahren angenommenen Geheimhaltungsbedürftigkeit in aller Regel auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Gebrauch machen. Das VG kann sich in diesem Fall allein auf die ihm vorliegenden Angaben und Unterlagen stützen, insbesondere also die von der Behörde für die Sperrerklärung abgegebene Begründung. Ein besonderes (Zwischen-)Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage bzw. Auskunftserteilung im Verwaltungsprozess regelt § 99 Abs. 2 VwGO; siehe hierzu näher → Sperrerklärung, In-camera-Verfahren, Teil B Rdn 667 ff.

 

Rdn 623

Der Umfang der Prüfung durch das VG ist, wenn ihm der Inhalt der gesperrten Akten danach unbekannt ist, auf folgende Punkte begrenzt (vgl. BVerwG NJW 2004, 963, 964; NJW 1987, 202, 203; DVBl 2003, 869, 870; VG Darmstadt NVwZ 1996, 92, 93):

 

Rdn 624

 

Prüfungsumfang

Ist die Sperrerklärung formell ordnungsgemäß zustande gekommen (dazu u. Rdn 625 f.)?
Liegt der Sperrerklärung ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde (dazu u. Rdn 628 ff.)?
Hat die Behörde alle danach erheblichen Umstände berücksichtigt und genügt die Sperrerklärung auch im Übrigen angesichts der Umstände des Einzelfalls nach ihrem Inhalt und ...

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