Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Einlegung einer zulässigen Anhörungsrüge ist, soweit jedenfalls eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt wird, nach dem Subsidiaritätsgrundsatz eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die spätere Einlegung der Verfassungsbeschwerde.
2. Die Anhörungsrüge ist nur gegen letztinstanzliche Entscheidungen, die nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar sind, statthaft.
3. Hat das Gericht bei einer Revisions- oder Rechtsbeschwerdeentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, dann versetzt es gem. § 356a insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand.
4. § 33a greift nur in den Fällen, die von § 356a, auch in Verbindung mit § 55 Abs. 4 JGG, nicht erfasst werden, ein.
5. Adressat der Anhörungsrüge ist der iudex a quo. Das führt zu Problemen bei der Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit.
6. Die Anhörungsrüge ist schriftsätzlich innerhalb einer Woche ab Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen der Gehörsverletzung einzulegen und zu begründen.
 

Rdn 42

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Anhörungsrüge, Allgemeines, Teil B Rdn 1.

 

Rdn 43

1.a) Die Einlegung einer zulässigen Anhörungsrüge ist, soweit jedenfalls eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt wird und nicht von vornherein aussichtslos ist, nach dem Subsidiaritätsgrundsatz eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die spätere Einlegung der Verfassungsbeschwerde (vgl. Beukelmann NJW-Spezial 2008, 344 ff.) und zwar – nach einem Teil der Rspr. – bezüglich aller dort zu erhebenden Grundrechtsrügen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3059 ff.; 2007, 3054 f.; Saarländischer VerfGH Beschl. v. 10.1.2008 – Lv 4/07; Jost, S. 59, 63 ff.), also bezüglich der Verfassungsbeschwerde im Ganzen. Das "Vergessen" des Einlegens der Anhörungsrüge spielt für die Zulässigkeit der späteren Verfassungsbeschwerde nur dann keine Rolle, wenn im Verfassungsbeschwerdeverfahren der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht erhoben oder jedenfalls zurückgenommen wurde und auch ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer die Anhörungsrüge nicht ergriffen hätte (vgl. BVerfGE 134, 106, 115 f.; 126, 1, 17 f.; Gertler, S. 53, 61 f. m.w.N.; str. s. dazu auch → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, formelle Subsidiarität, Teil C Rdn 1171 und → Verfassungsbeschwerde, Streitgegenstand, Teil C Rdn 1138). Kommen mehrere Gehörsverstöße in Betracht und ist die Anhörungsrüge unvollständig erfolgt, ist die nachfolgende auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerde insofern unzulässig, als diese Beanstandung bereits mit der Anhörungsrüge vorgebracht werden hätte können. Die Zulässigkeit der sonstigen Grundrechtsrügen in der Verfassungsbeschwerde bleibt aber unberührt, wenn diese einen anderen Streitgegenstand betreffen (vgl. BVerfGE, 134, 106, 116; Gertler, S. 53, 62 f. m.w.N.).

 

☆ Nur wenn eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht gerügt ( Jost , S. 59, 73), die Rüge in zulässiger Weise (s.o.) zurückgenommen wird oder die Rüge – sei sie erhoben oder nicht – von vornherein aussichtslos ist ( Jost , S. 59, 67 ff.), bleibt das Anhörungsrügenverfahren für die Verfassungsbeschwerde unerheblich.Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht gerügt (Jost, S. 59, 73), die Rüge in zulässiger Weise (s.o.) zurückgenommen wird oder die Rüge – sei sie erhoben oder nicht – von vornherein aussichtslos ist (Jost, S. 59, 67 ff.), bleibt das Anhörungsrügenverfahren für die Verfassungsbeschwerde unerheblich.

 

Rdn 44

b) Die Frist nach § 93 Abs. 1 BVerfGG beginnt dann aber jedenfalls mit der letzten fachgerichtlichen Sachentscheidung, nicht mit dem Bescheid über die Verwerfung einer Anhörungsrüge. Eine aussichtslose oder unsubstantiierte Gehörsrüge hat keinen Einfluss auf die – früher ansetzende – Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.3.2007 – 2 BvR 170/07). Eine Anhörungsrüge kommt zudem nach einem Rechtsmittelverzicht oder einer Rechtsmittelrücknahme nicht infrage (vgl. aus zivilprozessualer Sicht Schnabl AnwBl 2008, 188 ff.). Die Unanfechtbarkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Anhörungsrüge meint die abstrakt-generelle Unanfechtbarkeit, nicht die gewillkürt im Einzelfall durch Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelrücknahme herbeigeführte Unanfechtbarkeit. Das gegenteilige Resultat wäre mit dem Subsidiaritätsgedanken (s. dazu auch → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, formelle Subsidiarität, Teil C Rdn 1171 und → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, materielle Subsidiarität, Teil C Rdn 1177), welcher insgesamt der Anhörungsrügenkonzeption zugrunde liegt, unvereinbar.

 

Rdn 45

2.a) Die Anhörungsrüge ist nur gegen letztinstanzliche Entscheidungen, die nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar sind, statthaft. Soweit noch eine Rechtsmittelmöglichkeit besteht, ist die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dort anzubringen. Wenn aber keine Rechtsmittelmöglichkeit meh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge