Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG gehören Dividenden und verdeckte Gewinnausschüttungen grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, auf die im Körperschaftsteuerbereich § 8b Abs. 1 KStG Bezug nimmt. Nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören diese Bezüge indes gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, soweit das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG als verwendet gilt.

Eine Einlagenrückgewähr führt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG somit nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen. Die Behandlung als steuerneutral gegen den steuerlichen Beteiligungsbuchwert zu verrechnende Einlagenrückgewähr setzt eine entsprechende Feststellung des steuerlichen Einlagekontos bzw. dessen Verwendung voraus (vgl. § 27 Abs. 2 und Abs. 5 KStG).

Gem. § 27 Abs. 8 KStG gilt Entsprechendes für eine Einlagenrückgewähr durch eine Gesellschaft, die in einem EU-Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist. Auch diese Regelung wird man wohl über ihren Wortlaut hinaus auf entsprechende Leistungen von EWR-Tochtergesellschaften erstrecken müssen (vgl. auch BMF vom 04.04.2016, IV C 2-S 2836/08/10002, BStBl I 2016, 468, das allerdings auch Nennkapitalrückzahlungen unter die Regelung fassen will). Ohne Einhaltung des in § 27 Abs. 8 KStG vorgesehenen Verfahrens fingiert § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG für derartige Leistungen von EU-Tochtergesellschaften Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 (oder Nr. 9) EStG. Für entsprechende Leistungen aus Drittstaaten enthält das KStG derzeit keine entsprechende Regelung.

Nach der Rechtsprechung des achten und zuletzt auch des ersten BFH-Senats (BFH vom 13.07.2016, VIII R 47/13, DStR 2016, 2395; BFH vom 10.04.2019, I R 15/16, DStR 2019, 1917, s. a. Urteilsanmerkungen von Haase, Intemann und – kritisch – Pohl, in Ubg 2019, 655, 556 bzw. 659, ausführlich Wacker, FR 2019, 979) ist eine Einlagenrückgewähr auch in diesen Fällen außerhalb des in § 27 Abs. 8 KStG vorgesehenen Verfahrens aufgrund einer rechtsvergleichenden Betrachtung der durch die Drittlandsgesellschaft gewährten Leistung möglich. Dabei soll die Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG zu beachten sein. Eine Einlagenrückgewähr kommt danach nur in Betracht, soweit die Leistung den ausschüttbaren Gewinn (nach Abs. 1 Satz 5 das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos) übersteigt. Allerdings soll der ausschüttbare Gewinn nach dem jüngsten Urteil des ersten Senats nach dem jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrecht zu ermitteln sein.

Das neue BFH-Urteil des ersten Senats weicht insofern von der Entscheidung des achten Senats aus 2016 ab, als die Verwendungsfiktion des § 27 KStG unabhängig davon greifen soll, ob nach ausländischem Handelsrecht eine Kapitalrückzahlung vorliegt. Insofern liegt diese Rechtsprechung des ersten Senats etwas "näher" an der Behandlung von Leistungen innerhalb der EU nach § 27 Abs. 8 KStG als nach dem 8. Senat.

Allerdings lassen beide Entscheidungen noch zahlreiche Detailfragen offen. Eine gesetzliche Regelung auch für Fälle der Einlagenrückgewähr aus Drittstaaten wäre i. S. d. Rechtsklarheit wünschenswert. Sofern die Behandlung von EU-/EWR-Auskehrungen mit derjenigen von Drittlandsauskehrungen nicht identisch ist, wäre überdies eine ausdrückliche Regelung für den Fall des EU-Aus- und -Eintritts des Staates, in dem die ausschüttende Tochtergesellschaft ansässig ist, hilfreich.

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 6

Die UK Limited verfügt über Barmittel, die bislang in hohen Rücklagen in ihrem nach UK-Rechnungslegungsstandards (UK-GAAP) erstellten Jahresabschluss gebunden sind. Nur ein Teil dieser Rücklagen wird für den laufenden Geschäftsbetrieb und in naher Zukunft geplante Investitionen der UK Limited benötigt. Der nicht benötigte Teil der Rücklagen soll an ihre Alleingesellschafterin, die M-GmbH, ausgekehrt werden.

Lösung

Auf Basis der aktuellen BFH-Rechtsprechung würde sich die Höhe des ausschüttbaren Gewinns bei einer Auskehrung nach dem Brexit oder nach dem Ablauf eines etwaigen Übergangszeitraums grundsätzlich, als Bezugsgröße für die Bestimmung einer etwaigen Einlagenrückgewähr i. S. v. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG, nach britischem Handelsrecht bestimmen, wobei es eigentlich eine gewisse "Überleitung" auf deutsches Steuerrecht geben muss, um Verwerfungen zu vermeiden.

Eine Einlagenrückgewähr wäre dann allerdings in jedem Fall unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 KStG zu ermitteln, ohne dass das Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG zur Anwendung kommt. Ob dies auch für die Auskehrung von Rücklagen (und ihre Verteilung auf ausschüttbaren Gewinn einerseits und steuerliches Einlagekonto andererseits) gilt, soweit diese Rücklagen noch vor dem Brexit bzw. dem Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums) gebildet wurden, ist noch nicht geklärt.

In Betracht kommt daher u. E. auch ein Wahlrecht für den Steuerpflichtigen, en...

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