Leitsatz

Der Rechtsanwalt hat im Rahmen seiner Büroorganisation dafür Vorsorge zu treffen, dass seine Angestellten die Faxnummer eines Gerichts einem zuverlässigen Verzeichnis entnehmen und nicht aus dem Gedächtnis abrufen. Dies gilt auch, wenn ein "Rechtsanwaltsprogramm" mit automatischer Einfügung der Faxnummer verwendet wird, diese aber von den Mitarbeitern "von Hand" gelöscht werden kann.

 

Sachverhalt

Ein Rechtsmittel wurde per Fax an das LG statt an das zuständige OLG übermittelt. Das in der Kanzlei benutzte "Rechtsanwaltsprogramm" hatte zwar die korrekte Faxnummer angegeben. Diese wurde aber von einer Mitarbeiterin versehentlich gelöscht und durch den Anschluss des LG ersetzt. Der Schriftsatz ging daher verspätet beim OLG ein, das einem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgab. Der BGH verwarf auch die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidung

Ein Rechtsanwalt, der fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, ist verpflichtet, die Verwendung der "richtigen" Faxnummer durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen[1]. Zur Vermeidung von Verwechslungen ist das Büropersonal anzuweisen, bei der Versendung von Schriftsätzen mittels Telefax die Auswahl der richtigen Empfängernummer zu prüfen[2]. Das Büropersonal muss die Nummer gezielt kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren[3].

In der Kanzlei des Antragstellers fehlte es an einer konkreten Anweisung, die Faxnummer eines Gerichts in Fällen, in denen nicht mit dem "Rechtsanwaltsprogramm" gearbeitet oder dessen Vorgabe von Hand geändert wurde, einem Faxnummernverzeichnis zu entnehmen und nach Ausführung des Übermittlungsvorgangs einen Abgleich der gewählten mit der in dem Verzeichnis enthaltenen Nummer vorzunehmen. Sofern die Faxnummer eines Gerichts nicht zusammen mit der Adresse aus dem "Rechtsanwaltsprogramm" abgerufen worden war, bestand daher keine Gewissheit, dass sich das Büropersonal bei der Suche der Faxnummer einer geeigneten Aufstellung bediente, statt sie aus dem Gedächtnis einzugeben. Dieses Organisationsverschulden verbietet die begehrte Wiedereinsetzung.

 

Praxishinweis

Geht ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei dem Berufungsgericht, sondern bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses Gericht verpflichtet, den Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Erreicht der Schriftsatz das erstinstanzliche Gericht so frühzeitig, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Berufungsgericht erwartet werden kann, ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Schriftsatz doch nicht rechtzeitig bei dem Rechtsmittelgericht eintrifft[4]. Die Beweislast hierfür trägt dann aber der Antragsteller[5].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 6.6.2005, II ZB 9/04

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge