Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht. Ausländer. Duldung. gewöhnlicher Aufenthalt. rechtmäßiger Aufenthalt

 

Orientierungssatz

1. Ein Ausländer, der über eine befristete Duldung gemäß § 60a AufenthG verfügt und nicht Inhaber eines Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB 9 ist, hat keinen Anspruch auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht (hier: GdB-Feststellung).

2. Unter einer zeitgemäßen Berücksichtigung der Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R = BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 kann nach heutigem Rechtsstand und unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zum Ausländerrecht beim Vorliegen lediglich einer isolierten Duldung, deren Inhaber keinen Arbeitsplatz vorweisen kann, weder von einem rechtmäßigen noch von einem auf Dauer angelegten Aufenthalt iS des § 2 Abs 2 SGB 9 ausgegangen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.04.2010; Aktenzeichen B 9 SB 2/09 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die rechtlichen Voraussetzungen, auf deren Basis bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) weiterhin festgestellt werden soll.

Der ... 1957 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 10.03.2003 in das Bundesgebiet ein. Am 27.03.2003 beantragte er die Gewährung von Asyl. Unter Darlegung seines Vorbringens gemäß der Zusammenfassung Bl. 28 SG-Akte wurde mit Bescheid vom 30.03.2003 durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sein Asylantrag abgelehnt und festgestellt, dass er weder die Voraussetzungen des seinerzeitigen § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) noch Abschiebungshindernisse nach § 53 Ausländergesetz geltend machen könne sowie bei einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung angedroht. Eine hierauf erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.02.2007, ... ab. Einen am 08.03.2007 vom Kläger gestellten Asylfolgeantrag wies das Verwaltungsgericht Stuttgart nach Durchführung des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens mit Urteil vom 20.08.2007 ab .... Ein Antrag auf Zulassung der Berufung im dortigen Asylverfahren ... wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Anfang des Jahres 2009 zurückgewiesen. Im Frühjahr 2009 betreibt der Kläger ein Verfahren gemäß § 23 a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vor der Härtefallkommission beim Innenministerium des Landes Baden-Württemberg.

Auf den Erstantrag des Klägers nach dem SGB IX vom 06.05.2004 hin stellte der Beklagte auf Basis einer am 27.03.2003 erteilten Aufenthaltsgestattung, welche bis 15.06.2004 gültig gewesen ist, wegen Anfallsleiden und Meningeomentfernung einen Teil- und Gesamt-GdB von 50 seit Antragstellung im Bescheid vom 16.08.2004 fest. Die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX liege vor.

Nachdem der Kläger am 06.07.2005 einen Änderungsantrag gestellt hatte, bei welchem er eine bis zum 30.11.2005 gültige Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens vorlegte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2005 eine Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) ab. Nach Auswertung der vorliegenden Befunde über die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten verbleibe es bei dem bisher festgestellten GdB.

Im Januar 2007 leitete der Beklagte eine Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers ein. Der Kläger gab unter dem Datum 15.01.2007 an, über eine Aufenthaltsgestattung bis zum 22.05.2007 zu verfügen. Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen kam der Ärztlichen Dienst des Beklagten zu einem Gesamt-GdB von 30. Dem wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt:

1. Anfallsleiden, psychovegetative Störungen 30

2. Hämorrhoiden 10

3. Schwerhörigkeit 10

Nach Aufforderung durch den Beklagten vom 19.06.2007, den Nachweis eines rechtmäßigen Aufenthalts durch entsprechenden Nachweis zu bestätigen, übersendet der Kläger die Kopie eines Nachweises hinsichtlich der Aussetzung der Abschiebung (Duldung) mit dem Vermerk: Kein Aufenthaltstitel", ausgestellt durch die Stadt Stuttgart ... (Akte).

Mit Schreiben vom 05.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung an. Da der Kläger nunmehr lediglich über eine Duldung nach § 60 a AufenthG verfüge und somit lediglich über eine befristete Duldungsbescheinigung, gehöre er nicht mehr zum Personenkreis des § 2 Abs. 2 SGB IX. Nachdem von der damaligen Bevollmächtigten des Klägers ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 23.02.2006 ... (Akte) übersendet worden war, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2007 eine Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2004 gemäß § 48 SGB X fest sowie, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX nicht mehr erfüllt seien. Zur Begründung w...

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