Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Mietvertrag unter Verwandten. rechtlicher Bindungswille. Nichtvorliegen eines Scheingeschäfts. Bewohnung der Mietsache und Zahlung der Miete

 

Orientierungssatz

1. Vereinbarungen unter Verwandten über die Überlassung von Wohnraum können unabhängig von einem Fremdvergleich Rechtsgrundlage dafür sein, dass der Leistungsträger tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen hat, wenn ein entsprechender rechtlicher Bindungswille besteht (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 1/11 B).

2. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollen, aber die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 29/10 R = FEVS 63, 442).

3. Gegen die Wertung eines Mietvertrages als ein nur zum Schein abgeschlossenes Rechtsgeschäft spricht es, wenn die Parteien des Mietverhältnisses die Rechtsfolgen tatsächlich realisieren, indem monatlich Mietzahlungen per Dauerauftrag vorgenommen werden und indem der Mieter tatsächlich in der Mietsache wohnt.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 25.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2012 Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. monatlich 300 € zu gewähren.

2.Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2012.

Die Mutter des 1992 geborenen Klägers, bei dem ein GdB von 100 und die Merkzeichen G, H und B festgestellt sind, ist die gesetzliche Betreuerin des Klägers.

Der Kläger wohnt zusammen mit seiner Mutter in der Eigentumswohnung seiner geschiedenen, getrennt lebenden Eltern in S., die von den Eltern noch nicht abbezahlt ist. Die Tilgungsleistungen werden durch den Vater des Klägers bedient. Die Eltern des Klägers vereinbarten die Zahlung eines monatlichen Beitrags durch die Mutter des Klägers an seinen Vater für die Nutzung der gemeinsamen Eigentumswohnung. Bis einschließlich Februar 2012 verrechnete der Vater des Klägers die Zahlungen mit seinen Unterhaltszahlungen, seit März 2012 überweist die Mutter des Klägers monatlich einen Betrag von 850 € an den Vater des Klägers für die Nutzung der gemeinsamen Eigentumswohnung, wobei ein Anteil von 250 € auf die eigene Darlehenstilgung der Mutter entfällt.

Die Mutter des Klägers beantragte erstmals am 16.08.2010 (Bl. 6) Leistungen der Beklagten nach § 41 SGB XII für den Kläger und gab i. R. d. Antragstellung an, dass der Kläger mietfrei wohne und von seinem Vater Unterhaltsleistungen i. H. v. 420 € erhalte. Mit Bescheid vom 03.12.2010 (Bl. 13 VA) lehnte die Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit der Begründung ab, dass die Unterhaltszahlungen den Bedarf des Klägers, für den kein Bedarf für Unterkunft und Heizung bestehe, deckten. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25.03.2011, Bl. 13/2a VA). Das sich anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (Az. S 11 SO 2425/11) wurde durch Klagerücknahme beendet.

Nach Bestellung der Ergänzungsbetreuerin S. St. (Beschluss des Notariats Stuttgart II v. 11.01.2011, Bl. 28) schlossen der Kläger und seine Eltern am 11.01.2011 einen Mietvertrag mit Mietbeginn rückdatiert auf den 01.08.2010 über 1 Zimmer und Mitbenutzung weiterer Wohnungsteile zu einem Mietzins von 300 € inkl. aller Nebenkosten (Bl. 25 ff.; Bl. 15 VA). Ausweislich des Schreibens der Mutter des Klägers vom 03.02.2011 (Bl. 15/3 VA) betragen die Grundmiete 164,33 € und die Nebenkosten derzeit 135,77 €.

Am 26.04.2011 richtete die Mutter des Klägers einen Dauerauftrag i. H. v. 300 € für die Mietzahlungen des Klägers an sie erstmalig zum 01.05.2011 vom Konto des Klägers Nr. 7485034522 ein (Bl. 31).

Am 20.01.2011 stellte die Mutter des Klägers für den Kläger sodann einen Neuantrag auf SGB XII-Leistungen (Bl.14/3 und 15/2 VA) und gab i. R. d. Antragstellung an, dass der Kläger seit Januar 2011 keinen Unterhalt mehr von seinem Vater erhalte. Zudem handele es sich um ein insoweit um ein Missverständnis, als ihr Sohn nicht mietfrei lebe, sondern er sie “Geld koste„.

Seit dem 01.09.2011 ist der Kläger am Eingangsverfahren/Grundkurs Berufsbildungsbereich einer WfbM tätig (Bl. 19/1, 20/2, 19 VA) und erhält als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Ausbildungsgeld (seit September 2011 i. H. v. monatlich 63 €; seit September 2012 i. H. v. monatlich 75 €; Bescheid der Agentur für Arbeit S. vom 22.06.2011, Bl. 19 VA).

Mit Bescheid vom 21.01.2011 (Bl. 14/4 VA) in Gestalt der Änderungsbescheide vom 07.04.2011 (Bl. 17 VA) und vom 16.09.2011 (Bl. 21 VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann für den Zeitraum Januar 2011 bis August 2011 Grundsicherungsleistungen i. H. v. mona...

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