Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. abgekürztes Verwaltungsverfahren bei Abgrenzung einer ambulanten vertragsärztlichen von einer vorstationären belegärztlichen Tätigkeit. Krankenhaus. Entscheidung über Aufnahme einer vollstationären Behandlung. keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung. Ausnahme von der Pflicht zur gezielten Beratung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung des § 106 Abs 5 S 8 SGB 5 ist als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen (Anschluss an SG Berlin vom 17.3.2010 - S 83 KA 651/08 - , Revision beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 6 KA 13/10 R). Danach beschränkt sich das abgekürzte Verwaltungsverfahren auf Fälle, in denen die betroffenen Leistungen als solche generell bereits unmittelbar durch das Gesetz oder die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgeschlossen sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn es - wie hier - um die Abgrenzung einer ambulanten vertragsärztlichen von einer vorstationären belegärztlichen Tätigkeit geht. Anders ist es in Fällen, in denen die medizinischen Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und für die Entscheidung ausschlaggebend sind, in denen also keine gleichartig zu bewertenden Vorgänge vorliegen.

2. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gem § 115a SGB 5 obliegt (ebenso wie bei der vollstationären Behandlung gem § 39 SGB 5) allein dem Krankenhaus.

3. Mit der Regelung des § 115a SGB 5 ist keine Einschränkung der vertragsärztlichen Versorgung verbunden. Gesetzlich krankenversicherte Patienten haben Anspruch auf die Gewährung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auch im Fall der vorstationären Krankenhausbehandlung - sowohl wenn sie dem Versicherten gewährt wird (so ausdrücklich § 115a Abs 2 S 5 SGB 5) als auch erst recht dann, wenn sie ihm pflichtwidrig nicht gewährt wird.

 

Orientierungssatz

Eine Ausnahme von der Pflicht zur vorherigen Beratung nach § 106 Abs 5 S 2 SGB 5 ist nur dann gestattet, wenn das Fehlverhalten des Vertragsarztes von vornherein unzweifelhaft war.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2009 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Schadensersatzforderung, die die Beklagte im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung für das 1. bis 3. Quartal 2007 festgesetzt hat.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis für Nuklearmedizin. Sie nahm im streitgegenständlichen Zeitraum durch ihre Gesellschafter, die niedergelassene Ärzte sind, kraft deren Zulassung in A-Stadt, also im Bezirk der Beklagten, an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zugleich wurden belegärztliche Tätigkeiten für das Klinikum A-Stadt erbracht.

Mit Schreiben vom 27.11.2007 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem seinerzeit zuständigen Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Hessen die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten XY. im 1. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 1.004,80 Euro (netto) entstanden seien. Im vorliegenden Fall seien aber die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten dieses Arzneimittels nicht erfüllt. Es sei zur Vorbereitung einer stationären Ganzkörperszintigraphie verordnet worden. Die Kosten seien daher dem Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 15.03.2007 bis 18.03.2007 zuzuordnen. Am 11.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies unter dem 16.01.2008 darauf hin, dass die betreffende Krankenhausbehandlung im Klinikum A-Stadt belegärztlich durch die Klägerin durchgeführt worden sei. Da es sich um eine reine Belegstation handele, sei eine vorstationäre Behandlung der Patientin dort nicht möglich gewesen.

Mit Schreiben vom 16.01.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten F und G. im 2. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 2.009,00 Euro (netto) entstanden seien. Am 24.01.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie nahm in gleicher Weise wie für das Vorquartal Stellung.

Mit Schreiben vom 05.06.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten wiederum die Prüfung der Arzneimittelverordnungsweise der Klägerin in Einzelfällen. Dabei bemängelte sie (aus den gleichen Gründen) die Verordnung von Thyrogen zugunsten ihrer Versicherten H, I und J im 3. Quartal 2007, durch die ihr Kosten in Höhe von insgesamt 3.023,50 Euro (netto) entstanden seien. Am 22.07.2008 wurde die Klägerin von der Beklagten zu dem Prüfantrag angehört. Sie wies in Ergänzung ihrer für das Vorquartal abgegebenen Stellungnahme darauf hin, dass das Klinikum A-Stadt bei seinen Abrechnungen die Gabe von Thyrogen nicht im Rahmen d...

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