Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Ausschreibung. Vorliegen einer nicht verkehrsfähigen Praxis. Wegzug. Beendigung der Zulassung und Aufgabe einer fortführungsfähigen Praxis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer in vier Quartalen durchschnittlichen Fallzahl von 1,25 Fällen mit einer im Quartal durchschnittlichen Behandlungszeit von 5 Stunden und 5 Minuten liegt keine verkehrsfähige Praxis eines Psychotherapeuten vor, die zum Verkauf ausgeschrieben werden könnte.

2. Ein Wegzug führt zur Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung und Aufgabe einer fortführungsfähigen Praxis, die deshalb nicht mehr zum Verkauf ausgeschrieben werden kann.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen. 

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes.

Der Kläger ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er wurde als psychotherapeutisch tätiger Arzt mit Praxissitz in C-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am 01.11.2007 nahm er seine Tätigkeit auf. Auf seinen Antrag vom 13.08.2008 ordnete der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit Beschluss vom 04.09.2008 das Ruhen der Zulassung vom 01.10.2008 bis 30.09.2010 an. Der Kläger hatte angegeben, er benötige Zeit für die Erziehung seines dritten Kindes, welches er im Oktober des Jahres 2008 erwarte.

Unter Abgabe einer Verzichtserklärung zum 31.03.2009 auf seine vertragsärztliche Tätigkeit unter dem Vorbehalt, dass er bis zu diesem Zeitpunkt einen Nachfolger für seine Praxis gefunden habe, verzichtete der Kläger am 25.03.2009 auf seine Zulassung. Außerdem beantragte er, die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zum nächstmöglichen Termin.

Die Beklagte teilte dem Kläger unter Datum vom 20.04.2009 mit, aufgrund des geringen Leistungsumfanges sei eine Ausschreibung des Vertragspsychologensitzes nicht möglich.

Der Kläger erwiderte hierauf am 07.05.2009, eine Rechtsgrundlage für die Ansicht der Beklagten werde nicht mitgeteilt. Ebenso werde er nicht über die Möglichkeit eines Widerspruchs informiert.

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 29.05.2009 den Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes ab, weil aufgrund der eingereichten Abrechnungen der Kläger eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in ausreichendem Maße aufgenommen habe. Eine Ausschreibung des Vertragsarztsitzes sei daher wegen des geringen Leistungsumfangs nicht möglich. Im Einzelnen führte sie aus, dass der Kläger im Quartal IV/07 bei einer Fallzahl von einem Fall 2:30 Stunden pro Quartal bzw. 12 Minuten pro Woche abgerechnet habe. Im Quartal I/08 einen Fall im Umfang von 6:40 Stunden im Quartal bzw. 33 Minuten pro Woche, im Quartal II/08 zwei Fälle im Umfang von zusammen 7 Stunden im Quartal bzw. 35 Minuten pro Woche und im Quartal IV/08 einen Fall im Umfang von 4:10 Stunden im Quartal bzw. 20 Minuten pro Woche.

Hiergegen legte der Kläger am 30.06.2009 Widerspruch ein, den er nicht weiter begründete.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Vertragsarztsitz des Klägers liege in einem überversorgten Planungsbereich. Sie sei dennoch nicht zur Ausschreibung des Vertragsarztsitzes verpflichtet, da § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V voraussetze, dass es eine Praxis gebe, die von einem Nachfolger fortgeführt werden solle. Eine Praxis könne aber nur dann von einem Nachfolger fortgeführt werden, wenn es diese Praxis noch gebe (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R). Unter einer “Praxis„ werde eine tatsächlich existierende Einrichtung verstanden. Dies bedeute, dass der Arzt Praxisräume und eine entsprechende Praxiseinrichtung besitze sowie noch tatsächlich in seiner Praxis Patienten behandeln müsse. Fehle es an einer Arztpraxis, so sei keine Rechtfertigung für die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens erkennbar. Eine Praxis könne nur dann von einem Nachfolger fortgeführt werden, wenn der ausscheidende Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift in nennenswertem Umfang vertragsärztlich tätig gewesen sei. Wegen des geringen Umfangs seiner Praxis und dem anschließenden Ruhen der Zulassung sei kein Patientenstamm vorhanden, der von einem Nachfolger übernommen werden könne und somit sei keine Praxis mehr vorhanden, die im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschrieben werden könnte.

Hiergegen hat der Kläger am 08.10.2009 die Klage erhoben. Er trägt vor, die Rechtsansicht der Beklagten könne keinen Bestand haben. Bei seiner Praxis handele es sich um eine rein psychotherapeutisch ausgerichtete Praxis. Auf eine derartige Praxis könne die von der Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht direkt angewendet werden. Auch die Tatsache des Ruhens der Zulassung, gerade weil in der kurzen Zeit kein Nachfolger gefunden worde...

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