Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgeblichkeit des leistungsrechtlichen Arbeitsverhältnisses für den Bemessungszeitraum bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld. fiktive Bemessung

 

Orientierungssatz

1. Gemäß § 152 SGB 3 ist das Arbeitslosengeld fiktiv zu bemessen, wenn ein Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden kann.

2. Maßgeblich für den Bemessungszeitraum ist nicht das versicherungsrechtliche, sondern das leistungsrechtliche Arbeitsverhältnis, und damit allein, ob der Antragsteller tatsächlich beschäftigt worden ist.

3. Beschäftigung besteht, solange die Arbeitsleistung erbracht bzw. geschuldet wird. Bei Freistellung des Arbeitnehmers ist das nicht mehr der Fall. Kann danach ein Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, so ist nach § 152 SGB 3 ein fiktives Bemessungsentgelt dem Arbeitslosengeld zugrunde zu legen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes I.

Die am … 1955 geborene Klägerin stand zuletzt als Vertriebsmitarbeiterin vom 01.05.2001 bis 30.04.2017 bei der Firma … und Co. Deutschland GmbH in einem Arbeitsverhältnis. Aus der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 25.04.2017 ist zu entnehmen, dass die Klägerin ab dem 01.01.2015 einvernehmlich freigestellt worden war von der Arbeitsleistung. Außerdem sei das Arbeitsentgelt über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus gezahlt worden und zwar bis 30.04.2017. Die Klägerin meldete sich am 23.01.2017 arbeitslos und arbeitssuchend und beantragte am 03.05.2017 die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Klägerin übte ab dem 01.05.2017 nebenbei eine Tätigkeit als Bürohilfe in einem Kfz-Betrieb aus mit einem monatlichen Einkommen von 165,00 € netto.

Mit Bewilligungsbescheid vom 15.05.2017 wurden der Klägerin ab 01.05.2017 bis 30.04.2019 Leistungen nach dem SGB III bewilligt mit einem Leistungsbetrag von täglich 31,70 €, ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt von 79,33 €.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.05.2017 Widerspruch ein. Ihre Nettobezüge der letzten 12 Monate seien 28.883,44 € gewesen, so dass sich ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.406,95 € ergebe. Sie bitte, den Anspruch zu berichtigen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2017 zurückgewiesen. Der Bemessungszeitraum umfasse die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse 1 Jahr und ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor Entstehung des Anspruches. Mithin umfasse der Bemessungsrahmen den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 30.04.2017. Innerhalb dieses Zeitraumes sei die Klägerin nicht beschäftigt gewesen, sondern von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Bemessungsrahmen werde auf 2 Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalte. Dies sei bei der Klägerin der Fall, so dass der Bemessungsrahmen auf die Zeit ab 01.05.2015 verlängert werde. Auch innerhalb dieses Zeitrahmens sei die Klägerin von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen. Da auch in diesem Zeitraum keine abgerechneten Zeiträume lägen, bestehe mithin im Bemessungszeitraum keine mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, so dass nach § 152 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgeltes sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die seiner beruflichen Qualifikation entspreche. Bei der Klägerin sei ein fiktives Arbeitsentgelt nach Qualifikationsgruppe 3 zugrunde zu legen entsprechend Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erforderten. Denn sie sei ausgebildete Bürokauffrau und seit 1998 in diesem Beruf tätig gewesen. Es ergebe sich daher ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 79,33 €, so dass sich ein Leistungsentgelt von 52,84 € ergebe und das Arbeitslosengeld 31,70 € betrage.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.06.2017 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim erhoben. Sie habe ein Kündigungsschutzverfahren durchgeführt, in dem ein Vergleich abgeschlossen worden sei, so dass sie bis einschließlich April 2017 Arbeitsentgelt erhalten habe. Es errechne sich daraus ein Leistungsentgelt von 80,23 € täglich und ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 48,14 €. Das mit 31,70 € täglich festgestellte Arbeitslosengeld sei zu niedrig. Es sei ihr zuletzt erzieltes monatliches Nettoeinkommen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe das Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn auch dann bis zur rechtlich...

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