Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse. Geltung der Verjährungsfrist im Krankenhausabrechnungsstreit auch bei Erstattungsansprüchen von Krankenkassen gegen Krankenhausträger. kein Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung. gerichtliche Geltendmachung nicht einklagbarer Forderungen gem § 17c Abs 4 S 3 KHG. Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen gilt auf Grund der Verweisung in § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Gleiches gilt für Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Krankenhausträger (entgegen BSG vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 1, vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1 und vom 17.12.2013 - B 1 KR 60/12 R).

2. Wenn der Krankenhausträger eine verrechnete, als solche unstreitige Forderung im Klagewege geltend macht, bedarf es keiner Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), auch wenn die beklagte Krankenkasse mit einer streitigen Erstattungsforderung aufrechnet, welche auf einer Abrechnungsprüfung durch den MDK beruht (entgegen SG Karlsruhe vom 24.2.2014 - S 5 KR 4463/13 = KrV 2014, 74).

3. Dass Krankenhausträger Forderungen gegenwärtig nicht zulässigerweise gerichtlich geltend machen, die unter die Regelung des § 17c Abs 4b S 3 KHG fallen, verstößt gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die gemäß § 17c Abs 4b S 3 KHG nicht einklagbaren Forderungen nicht verjähren dürften, solange das Zulässigkeitshindernis besteht, da die Hemmung der Verjährung dem Rechtssuchenden noch keinen effektiven Rechtsschutz vermittelt. Aus diesem Grund ist es geboten, die Regelung des § 17c Abs 4b S 3 KHG - verfassungskonform - möglichst restriktiv zu handhaben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2015; Aktenzeichen B 1 KR 26/14 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 912,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 912,41 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung der Vergütung für Krankenhausbehandlungen.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin wurde in der Zeit vom 05.04.2009 bis zum 06.04.2009 im K Klinikum M, dessen Trägerin die Klägerin ist, wegen einer verhaltenen Fehlgeburt (Missed abortion) stationär behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten für diese Behandlung auf Grundlage der DRG O40Z einen Gesamtbetrag in Höhe von 912,41 Euro in Rechnung. Der Rechnung lag insbesondere der OPS-Code 5-690.0 (Therapeutische Kürettage (Abrasio uteri): ohne lokale Medikamentenapplikation) zu Grunde. Diese Prozedur ist im AOP-Katalog nach § 115b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Kategorie 1-Leistung eingestuft. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag am 04.05.2009 zunächst vollständig. Eine Prüfung der Abrechnung durch den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) der Beklagten wurde nicht eingeleitet.

Mit Schreiben vom 14.10.2013 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2012 (B 3 KR 14/11) und vom 21.03.2013 (B 3 KR 28/12 R) auf, bis zum 08.11.2013 den Grund für den stationären Aufenthalt mitzuteilen. Das BSG habe im Urteil vom 21.03.2013 entschieden, dass ambulant durchführbare Behandlungen den Krankenkassen gegenüber begründungspflichtig seien. Die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme seien bisher nicht an die Beklagte übermittelt worden. Das BSG habe entschieden, dass die Entgeltforderung bei fehlender Begründung nicht fällig werde. Versäume es die Klägerin, die Gründe für die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu benennen, fehlte es an der notwendigen Grundlage für die Abrechnungsprüfung und damit an einer Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist nach § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V.

Am 10.12.2013 verrechnete die Beklagte den vollständigen Forderungsbetrag von 912,41 Euro gegen andere Forderungen der Klägerin, die im Rahmen einer Sammelrechnung erhoben worden waren. Diese Forderungen stammten aus Rechnungen für Krankenhausbehandlungen vom 28.11.2013 (Rechnungsnummer 675883 über einen Betrag von 3.066,96 Euro und Rechnungsnummer 676021 über einen Betrag von 100,72 Euro) bzw. 29.11.2013 (Rechnungsnummer 676103 über einen Betrag von 1.715,62 Euro und Rechnungsnummer 676104 über einen Betrag von 5.508,92 Euro).

Die Klägerin erhob am 18.12.2013 Klage.

Zur Begründung führt sie aus, dass die durch die Beklagte durchgeführte Verrechnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoße, welcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf die sozialrechtlichen Rechtsbeziehungen de...

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