Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütungsforderung für eine streitige Krankenhausbehandlung. Abrechnungsprüfung durch den MDK. Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung auch bei Behandlungsbeginn vor Inkrafttreten der Regelung des § 17c Abs 4b S 3 KHG am 1.8.2013. Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Hemmung der Verjährung einer Vergütungsforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 17c Abs 4b S 3 KHG normierte Pflicht, vor Klageerhebung ein Schlichtungsverfahren durchzuführen, gilt auch dann, wenn die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor Inkrafttreten der Regelung am 1.8.2013 begonnen hat.

2. Dieses Ergebnis ist jedenfalls für Krankenhäuser in Baden-Württemberg mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar.

 

Orientierungssatz

Gemäß § 45 Abs 2 SGB 1 iVm § 204 Abs 1 Nr 4 BGB wird die Verjährung einer Vergütungsforderung durch die Einleitung des Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs 4b S 3 KHG gehemmt (vgl BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 59/12 R).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Behandlung.

Die Klägerin ist die Trägerin des “Klinikums P.„. Das Krankenhaus ist zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen.

Vom 10. - 12.10.2011 befand sich das bei der Beklagten versicherte Mitglied M. B. in stationärer Behandlung im “Klinikum P.„.

Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten 1.300,01 € in Rechnung.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, veranlasste dann aber eine Abrechnungsprüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.

In einem Gutachten gelangte der MDK zu dem Ergebnis, die Abrechnung der Klägerin sei fehlerhaft.

Gestützt auf dieses Ermittlungsergebnis rechnete die Beklagte - nach Angaben der Klägerin - am 5.3.2012 in Höhe von 1.330,01 € gegen eine andere unstreitige Hauptforderung der Klägerin auf.

Mit der am 19.12.2013 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Zahlung in dieser Höhe. Sie trägt vor, die Klage sei zulässig. Vor der Klageerhebung habe sie kein Schlichtungsverfahren mit der Beklagten durchführen müssen. Zwar sei gemäß § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren notwendig, wenn der Wert der Forderung 2.000 € nicht übersteigt. Die Regelung sei aber nur anwendbar, wenn die streitige stationäre Behandlung - anders als hier - erst nach dem Inkrafttreten der Vorschrift begonnen hat, also nach dem 1.8.2013. Insoweit sei die Konstellation vergleichbar mit der Einführung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V am 1.4.2007 durch das “Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung„. Der Gesetzgeber habe auch damals keine Übergangsregelung getroffen. Dennoch könne nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.6.2010 (B 1 KR 29/09 R) ein Krankenhaus die Aufwandspauschale nur fordern, wenn die stationäre Aufnahme des Patienten nach dem Inkrafttreten der Regelung erfolgt ist. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Fände § 17c Abs. 4b S. 3 KHG Anwendung, würde im übrigen die Garantie des effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigt: Art. 19 Abs. 4 GG begründe einen Anspruch auf Zugang zum Gericht, auf eine umfassende Prüfung des Streitgegenstands in einem förmlichen Verfahren innerhalb angemessener Zeit und auf eine gerichtliche Entscheidung. Dieser Anspruch wäre gefährdet, müsste hier vor der Klagerhebung ein Schlichtungsverfahren stattfinden. Denn bisher existiere kein “arbeitsfähiger„ Schlichtungsausschuss. Es erscheine auch zweifelhaft, ob sich dies jemals ändern werde. So hätten die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband gegenüber dem Bundesgesundheitsminister angeregt, die neue Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG zu modifizieren oder sogar ersatzlos zu streichen. Außer einer sozialgerichtlichen Klage habe sie, die Klägerin, daher keine Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen. Die Klage sei auch begründet. Denn der Beklagten habe keine Gegenforderung zugestanden, mit der sie hätte aufrechnen können; die für die stationäre Behandlung in Rechnung gestellte Summe sei (aus näher dargestellten Gründen) nicht zu beanstanden gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.330,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.3.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, auch nach ihrer Auffassung sei die Klage zulässig. Denn § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gälte nicht für Behandlungsfälle, die vor dem 1.8.2013 begonnen haben. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Sozialrechts sei neues Recht nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten der Regelung verwirklichen. Zu berücksichtigen sei zudem der Regelungsschwerpunkt des Gesamtkomplexes: Der Gesetzgeber habe den § 17c KHG umfassend geändert. Die Neufassung sei durchgehend auf Krankenhausbehandlungen ausgerichtet, die erst nach dem 1.8.2013 begonnen haben. Gleic...

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