Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung sowie Eingliederungshilfe. erweiterte Hilfe nach § 19 Abs 5 SGB 12. Aufwendungsersatz. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Abstellen auf den Beginn der erweiterten Hilfe. Bestehen eines Anwartschaftsrechts an einer Nacherbschaft. Vermögenseinsatz. Berücksichtigung des Freibetrags nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Bei der Geltendmachung von Aufwendungsersatz nach § 19 Abs 5 SGB 12 ist für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen auf den Beginn der erweiterten Hilfe abzustellen.

2. Vorerbe und Nacherbe sind Erben des gleichen Erblassers und folgen einander zeitlich nach. Der Nacherbe erwirbt bereits mit Eintritt des Erbfalls ein Anwartschaftsrecht an seinem Erbteil für den Fall des Eintritts des Nacherbfalls. Dieses Anwartschaftsrecht stellt ebenso wie ein Pflichtteilsanspruch Vermögen des Leistungsberechtigten gem § 90 SGB 12 dar, sofern es vor Leistungsbeginn angefallen ist.

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 wird insoweit aufgehoben, als der Beklagte bei der Berechnung des Aufwendungsersatzes keinen Vermögensfreibetrag von 2.600,-- Euro berücksichtigt hat.

2. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Umfang des Aufwendungsersatzes für erbrachte Leistungen der Sozialhilfe.

Die 1986 geborene Klägerin steht unter gesetzlicher Betreuung und bezieht Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe -. Die Mutter der Klägerin, Frau G., war von ihrem Ehemann mit dessen Testament vom 01. Juli 2000 als unbefreite Vorerbin seines gesamten Besitzes eingesetzt worden. Dieser starb am 08. Januar 2005. Daraus schloss das Amtsgericht Walsrode, dass die Klägerin und ihre drei Halbgeschwister aus erster Ehe des Vaters als Nacherben eingesetzt seien.

Der Beklagte übernahm die Kosten der Unterbringung in einer stationären Wohngruppe der Lebenshilfe Walsrode e.V. für die Zeit vom 16. Dezember 2005 bis zum 19. Januar 2006. Ferner gewährte er ab 15. Mai 2005 erweiterte Hilfe, so dass er in der Zeit vom 15. Mai 2005 bis zum 30. November 2006 einen Betrag von 23.524,65 Euro aufwandte, der nicht von eigenem Einkommen der Klägerin gedeckt war.

Im November 2008 gelangte ein Betrag von 25.000,-- Euro aus dem Erbe der Klägerin zur Auszahlung.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 forderte der Beklagte Aufwendungsersatz nach § 19 Absatz 5 SGB XII in Höhe von 23.108,55 Euro und setzte von der Erbschaft 1.292,-- Euro und 479,45 Euro für Betreuervergütung sowie 120,-- Euro für Entrümpelungen ab.

Dagegen legte die Klägerin am 12. Januar 2009 Widerspruch ein, welchen sie damit begründete, dass die Erbschaft Vermögen sei und ein Vermögensfreibetrag von 2.600,-- Euro abzusetzen sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 zurück und führte zur Begründung an, dass die Erbschaft Einkommen sei, welches auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen sei.

Dagegen hat die Klägerin am 28. April 2009 Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Der Klägerin sei als Nacherbin bereits im Januar 2005 eine verbriefte Anwartschaft zugebilligt worden. Das Hausgrundstück sei nur im November 2008 verwertet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 insoweit aufzuheben, als der Beklagte bei der Berechnung des Aufwendungsersatzes keinen Vermögensfreibetrag von 2.600,-- Euro berücksichtigt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 erweist sich insoweit als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten, als der Beklagte keinen Vermögensfreibetrag in Höhe von 2.600,-- Euro bei Anrechnung des Wertes des Erbschaftsanteils berücksichtigt hat.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 19 Absatz 5 SGB XII.

Nach § 19 Absatz 5 Satz 1 SGB XII haben, soweit den in den Absätzen 1 bis 3 des § 19 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten sind und Leistungen erbracht worden sind, diese dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen.

Der Beklagte hat in der Zeit vom 15. Mai 2005 bis 30. November 2006 Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt von Eingliederungshilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erbracht, und zwar im Rahmen der erweiterten Hilfe nach § 19 Absatz 5 SGB XII im Umfang von 23.524,65 Eu...

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