Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe

 

Orientierungssatz

Die Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe setzt voraus, dass der Mensch mit Behinderung allein infolge seiner Behinderung auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist, nur soweit reicht auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Eine Förderung der Kraftfahrzeugbeschaffung nach der KfzHV kommt nicht in Betracht, wenn die Benutzung eines Kraftfahrzeuges erst durch das Hinzutreten sonstiger Gründe erforderlich wird (vgl BSG vom 26.8.1992 - 9b RAr 14/91 = SozR 3-5765 § 3 Nr 1 sowie LSG München vom 15.5.1991 - L 8 Al 390/89).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.09.2022; Aktenzeichen B 5 R 128/22 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Kraftfahrzeughilfe.

Der 1960 geborene Kläger ist seit 01.07.2019 in der Verwaltung der Universität C-Stadt abhängig beschäftigt. Bei ihm ist mit Bescheid vom 01.02.2008 wegen Hirnanfallsleiden ein Grad der Behinderung von 70 v.H. ohne Merkzeichen anerkannt.

Mit Schreiben vom 16.10.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Beförderungskosten von seinem Wohnhaus in A-Stadt zum Bahnhof E-Stadt und zurück, wobei er angab, wegen seines Hirnanfallsleidens nicht Auto fahren zu dürfen. Es gebe morgens keinen öffentlichen Nahverkehr, mit dem er den Zug in E-Stadt um 06:39 Uhr erreichen könne, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Abends gebe es zwar eine Busverbindung, jedoch müsse er zweimal umsteigen und die Fahrt dauere 65 Minuten, während ein PKW nur 16 Minuten benötige. Bisher werde er von seiner Ehefrau, seiner Tochter oder seinen Bekannten gefahren. Das Familienauto benötige seine Frau zur Fahrt zur Arbeit in G-Stadt, das von A-Stadt in entgegengesetzter Richtung zu C-Stadt liege. Der Kläger legte Auskünfte von Taxidiensten vor, wonach die von ihm angedachte Beförderung 35-40 Euro pro Fahrt, d.h. 70-80 Euro pro Tag koste.

Mit Bescheid vom 27.01.2020 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach § 16 Sozialgesetzbuch (SGB) VI in Verbindung mit der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) Hilfe erhalte, wer wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht nur vorübergehend für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz auf die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Nach den vorliegenden Unterlagen sei es dem Kläger zumutbar, seinen Arbeitsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Dass keine Verkehrsmittel vorhanden seien, sei unerheblich, da er insofern auch ohne seine gesundheitlichen Einschränkungen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei.

Mit Fax seiner Bevollmächtigten vom 18.02.2020 legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger wies darauf hin, dass es ihm um die Kosten für einen Fahrdienst gehe. Er meinte, Anspruch auf einen Nachteilsausgleich zu haben, da ein Gesunder mit seinem PKW von A-Stadt nach C-Stadt fahren könne, er aber nicht.

Die Beklagte überlegte an Mobilitätshilfen, zumal der Kläger am 01.07.2019 einen neuen Arbeitsplatz angetreten habe. Sie fragte den Kläger, wie lange das Verbot der PKW-Nutzung voraussichtlich noch bestehe und wie häufige seine Anfälle seien. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 06.05.2020 antwortete der Kläger, etwa alle drei Wochen einen Anfall zu haben, seit 2004 keine Fahrerlaubnis zu haben und diese wohl auch nicht wiederzuerlangen. Die Beklagte legte den Vorgang ihrer beratenden Ärztin K. vor, die am 14.07.2020 feststellte, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder Fahreignung erreichen werde. Die Wegefähigkeit sei aber nicht eingeschränkt, der Kläger könne öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Es liege ein Infrastruktur-Problem vor. Die Beklagte ermittelte weiter medizinisch; der behandelnde Prof. Dr. S. plädierte für Mobilitätshilfe, um unzumutbar lange Pendelzeiten und folgend einen Verlust des Arbeitsplatzes zu vermeiden sowie wertzuschätzen, dass der Kläger Sozialabgaben leiste. Parallel stellte die Beklagte fest, dass Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eignung bei einem Nettoverdienst von 2.452,97 € wirtschaftlich nicht in Betracht kämen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 10 SGB VI und § 49 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX in Verbindung mit der KfzHV voraussetzten, dass ein behinderter Mensch infolge seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen sei, um seinen Arbeitsort zu erreichen, und der behinderte Mensch ein Kfz führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kfz für ihn führt. Der Sozialmedizinische Dienst habe festgestellt, dass der Kläger grundsätzlich öffentliche Verkehrsmittel nutzen könne und somit behinderungsbedingt nicht auf ein Kfz angewiesen sei um seinen Arbeitsort zu erreichen. Der im Widerspruchsverfahren gehö...

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