Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten. Anforderungen an ein schlüssiges Konzept
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist für die Anfertigung eines schlüssigen Konzepts als Vergleichsraum im Regelfall der Wohnort des Hilfesuchenden maßgeblich.
2. Ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsobergrenze von Unterkunftskosten setzt voraus, dass die vom Grundsicherungsträger festgelegte Angemessenheitsgrenze nachvollziehbar aus den zugrundeliegenden Daten ermittelt werden kann. Weichen die als Angemessenheitsobergrenze festgesetzten Werte von den in einem dazu gefertigten Gutachten ermittelten Werten ab, so fehlt es auch dann an der notwendigen Schlüssigkeit des Konzepts, wenn die Abweichung zugunsten der Grundsicherungsträger durch Festsetzung höherer als im Gutachten ermittelter Werte erfolgte.
3. Im Rahmen eines wirksamen schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheitsobergrenze von Unterkunftskosten sind nicht nur die Nettokaltmietkosten zu ermitteln, sondern auch angemessene Betriebskosten pauschaliert festzulegen. Dagegen ist ein schlüssiges Konzept fehlerhaft, wenn es zur Angemessenheitsbeurteilung auf die tatsächlichen Betriebskosten verweist.
4. Fehlt es an einem wirksamen schlüssigen Konzept zur Bestimmung einer Angemessenheitsobergrenze von Unterkunftskosten, sind für die Angemessenheitsbeurteilung die nach dem Wohngeldrecht geltenden Werte anzusetzen, die im Interesse des Grundsicherungsempfängers um einen angemessenen Sicherheitszuschlag von im Regelfall 10 Prozent zu erhöhen sind.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 17.02.2016 und 05.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2016 bis zum 31.10.2016 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 45,-- Euro monatlich zu bewilligen.
2. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der anerkannten Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen von gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin ist 1957 geboren und bezieht bereits seit längerer Zeit von dem Beklagten laufend Leistungen nach dem SGB II.
Sie bewohnte eine Wohnung in der B.-Straße in B. für einen Mietpreis in Höhe von 470,-- Euro (Kaltmiete) sowie Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 50,-- Euro. Unter dem 11.05.2015 kündigte ihre Vermieterin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.01.2016. Ihr Sohn werde in die Wohnung einziehen.
Einem Telefonvermerk vom 15.07.2015 ist zu entnehmen, dass der Beklagte die Klägerin daraufhin telefonisch über die Höhe der seiner Ansicht nach angemessenen Kaltmiete informierte. Diese betrage für einen 1-Personen-Haushalt 345,-- Euro. Die Klägerin solle dies bei ihrer Wohnungssuche beachten und vor Anmietung neuen Wohnraums den nicht unterschriebenen Mietvertrag zur Prüfung vorlegen.
Einem weiteren Vermerk des Beklagten ist zu entnehmen, dass die Klägerin am 27.07.2015 einen nicht unterschriebenen Mietvertrag für eine neue Wohnung in der B.-Straße in B. ab dem 01.09.2015 vorlegte. Die Kaltmiete betrug 400,-- Euro. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass die Kaltmiete nicht angemessen sei und eine Genehmigung des Umzugs nicht erfolgen könne.
Am 14.08.2015 erfolgte erneut eine Vorlage eines - bereits unterschriebenen - Mietvertrages über eine 2-Zimmer-Wohnung im ... in B., die die Klägerin auch bezog. Mietbeginn war der 01.10.2015, die Kaltmiete betrug 390,-- Euro, die Nebenkostenvorauszahlung 110,-- Euro. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dem Umzug werde nicht zugestimmt. Ab dem 01.10.2015 erfolge eine Zahlung von 345,-- Euro für die Kaltmiete.
Gemäß der Mietbescheinigung des Vermieters vom 17.08.2015 betrug die Wohnungsgröße ca. 45 qm und waren die Nebenkosten in Höhe von 110,-- Euro auf kalte Nebenkosten in Höhe von 30,-- Euro und Heiz- bzw. Warmwasserkosten in Höhe von 80,-- Euro aufgeteilt. Das Warmwasser werde durch Gas aufbereitet.
Mit Weiterbewilligungsantrag vom 10.02.2016 beantragte die Klägerin unter anderem die Gewährung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 500,-- Euro.
Der Beklagte gewährte der Klägerin mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 16.02.2016 Leistungen für den Zeitraum März 2016 bis Oktober 2016 in Höhe von 699,-- Euro monatlich.
Die Klägerin erhob Widerspruch und verlangte höhere Leistungen, insbesondere bezogen auf das angerechnete Einkommen und die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung.
Daraufhin erließ der Beklagte den Änderungsbescheid vom 05.04.2016, mit dem er der Klägerin für März 2016 bis Oktober 2016 Leistungen in Höhe von 859,-- Euro monatlich gewährte. Die Entscheidung sei endgültig. Der höhere Betrag resultiere aus der ...