Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Kostenerstattungsanspruch im sozialverwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren. Übergang des Kostenerstattungsanspruchs auf den Rechtsanwalt bei Gewährung von Beratungshilfe. Zulässigkeit der Aufrechnung der Behörde als Kostenschuldner mit Erstattungsansprüchen aus überzahlter Leistungsgewährung gegen den Mandanten des Rechtsanwalts. Kostenfreiheit des Sozialleistungsträgers im Streit um einen Kostenerstattungsanspruch eines Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Wird ein Rechtsanwalt im Rahmen eines Beratungshilfemandats für einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende tätig, so gehen Ansprüche des Mandanten auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten für ein Widerspruchsverfahren mit Bewilligung der Beratungshilfe auf den Rechtsanwalt über. Eine Aufrechnung des Grundsicherungsträgers mit eigenen Erstattungsansprüchen aus überzahlter Leistung gegen den Widerspruchsführer mit dem Kostenerstattungsanspruch bleibt jedoch trotz des Übergangs der Forderung auf den Rechtsanwalt möglich, da sich Erstattungsforderung und Kostenerstattungsanspruch als gleichartige Forderungen gegenüber stehen.

2. Bei einem Übergang einer Kostenerstattungsforderung aus einem Widerspruchsverfahren über Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende auf einen Rechtsanwalt ist die Aufrechnung des Grundsicherungsträgers mit eigenen Erstattungsansprüchen aus überzahlter Leistung jedenfalls dann als unzulässige Rechtsausübung unstatthaft, wenn der Forderungsübergang auf den Rechtsanwalt mit durch Bewilligung von Beratungshilfe als gesetzlicher Forderungsübergang erfolgte.

3. Für einen Rechtsstreit um die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten aus einem Widerspruchsverfahren über Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist der unterlegene Grundsicherungsträger jedenfalls dann nicht von Gerichtskosten befreit, wenn die Kostenerstattung durch einen Rechtsanwalt im eigenen Namen nach einem gesetzlichen Forderungsübergang geltend gemacht wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.02.2020; Aktenzeichen B 14 AS 3/19 R)

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt den Klägern als Gesamtgläubigern einen Betrag in Höhe von 380,80 € ausweislich der Kostenrechnung vom 31. Oktober 2014 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufrechnung des Beklagten gegen einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Gebühren und Auslagen für ein isoliertes Vorverfahren.

Der Rechtsanwalt A...S…, Gesellschafter der Klägerin, im Folgenden Gesellschafter S., vertrat Frau M… K… , im Folgenden Frau K., der mit Berechtigungsschein des Amtsgerichts M… vom 24. Oktober 2014 Beratungshilfe - bezogen auf die Klägerin - gewährt wurde, in einer Angelegenheit nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Der Gesellschafter S. vertrat Frau K. in einem Widerspruchsverfahren (W-1… ), das in vollem Umfang erfolgreich war.

Der Beklagte half dem Widerspruch mit Änderungsbescheid vom 30. Oktober 2014 ab und erklärte ausdrücklich, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigung notwendig war.

Der Gesellschafter S. machte am 31. Oktober 2014 seine Rechtsanwaltskosten in Höhe von 380,80 € geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten zu der Kostenrechnung wird auf Anlage K 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 31. Oktober Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 rechnete der Beklagte gegen die Forderung des Bevollmächtigten mit einer gegen Frau K. wegen einer Aufhebung und Erstattung bestehenden Forderung in Höhe von 481,28 € vollständig auf.

Der Gesellschafter S. wies mit Schreiben vom 27. Januar 2015 darauf hin, dass der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 9 Beratungshilfegesetz (BerHG) auf die Klägerin übergegangen sei. Ein Kostenerstattungsanspruch der Frau K. habe nicht bestanden, weshalb eine Aufrechnung mit eigenen Forderungen des Beklagten nicht denkbar sei.

Ebenfalls mit Schreiben vom 27. Januar 2015 verwies der Beklagte auf die Aufrechnung, die zuvor versehentlich an Frau K. adressiert worden war und dahingehend korrigiert worden sei, dass die Aufrechnung nunmehr gegenüber der Klägerin geltend gemacht werde.

Mit der am 20. März 2015 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die erklärte Aufrechnung. Sie vertieft ihren Vortrag und weist ergänzend darauf hin, dass die Vorschriften der §§ 406, 412 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier nicht einschlägig seien, weil sich die Forderungen des Beklagten gegenüber Frau K. und ihre Kostenerstattungsforderung zu keinem Zeitpunkt aufrechenbar gegenübergestanden hätten. Der Kostenerstattungsanspruch sei von Anfang an bei ihr - der Klägerin - erwachsen. Eine Bezugnahme auf andere Aufrechnungssituationen oder das Insolvenzverfahren spiele keine Rolle.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin als Gesamtgläubigerin einen Betrag in Höhe von 380,80 € ausweislich der Kostenrechnung vom 31. Oktober 2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte b...

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