Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines im Ausland erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall unter dem Gesichtspunkt der Entsendung

 

Orientierungssatz

1. Die Anerkennung eines im Ausland erlittenen Arbeitsunfalls kommt nur in Betracht, wenn ein Fall der Ausstrahlung i. S. des § 4 Abs. 1 SGB 4 vorgelegen hat. Hierzu ist erforderlich, dass der Betroffene im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsendet wird.

2. Ausreichend ist, dass jemand im Inland nur zum Zweck einer vorübergehenden Beschäftigung im Ausland eingestellt wird. Nicht ausreichend ist, wenn jemand im Ausland für das Ausland eingestellt wird. Der Schwerpunkt der Beschäftigung muss im Inland liegen.

3. Ist ein im Ausland tatsächlich ausgeübtes Arbeitsverhältnis durch Freistellungsvereinbarung zum Ruhen gebracht worden, hat der Betroffene im Anschluss daran für ein ausländisches Unternehmen gearbeitet und ist er von diesem auch entlohnt worden, so liegt ein Fall der Ausstrahlung i. S. von § 4 Abs. 1 SGB 4 nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn das deutsche Unternehmen zweckbezogene Leistungen an das ausländische Unternehmen an das ausländische Unternehmen gezahlt, dieses aber selbständig hieraus die Tätigkeit des Betroffenen abgerechnet hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen B 2 U 1/14 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung eines Unfalls im Ausland als Arbeitsunfall im Rahmen der Ausstrahlungsregelungen des § 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV).

Der 1982 geborene Kläger ist Tierpfleger im Zoo A-Stadt GmbH und in dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Im gesamten Kalenderjahr 2009 war er in Vietnam im D-Nationalpark beschäftigt. Dort erlitt er während einer Exkursion am 10.11.2009 einen schweren Unfall, in dessen Folge ihm das linke Bein zu 1/3 amputiert werden musste. Streitig ist, ob er zu dieser Zeit als Tierpfleger "entsandt" war oder ob es sich um eine eigenständige Tätigkeit in Vietnam handelte.

Der Zoo A-Stadt GmbH zeigte dieses Ereignis als Arbeitsunfall mit Unfallanzeige vom 19.11.2009, bei der Beklagten am 24.11.2009 eingegangen, an. Neben der Schilderung gab die GmbH an, der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt als Zoo Tierpfleger tätig gewesen. Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte zunächst telefonisch weitere Informationen bei der Personalabteilung der Zoo A-Stadt GmbH ein. Frau E. von der Personalabteilung bestätigte, dass der Kläger eine Freistellungsvereinbarung für ein Jahr mit dem Zoo A-Stadt GmbH gehabt habe. In dieser Zeit habe er auch kein Gehalt bekommen und es seien keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn abgeführt worden. Der Zoo A-Stadt fördere ein Projekt in dem genannten Nationalpark in Vietnam und überweise dorthin wohl immer Geld. Die Tierpfleger würden dann vor Ort durch den Park das Geld erhalten, welches sie zum Leben benötigen würden. Für diese Zeit in Vietnam hätten sie Freistellungsverträge. Frau E. äußerte in diesem Telefongespräch die Ansicht, da der Zoo Gelder nach Vietnam bezahle, müsse es sich doch bei dem Unfall um einen Arbeitsunfall handeln. Die Beklagte forderte daraufhin sämtliche schriftliche Vereinbarungen vom Zoo an. Der Zoo übersandte die Freistellungsvereinbarung, aus der sich ergibt, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 befristet von der Arbeitsleistung freigestellt worden war. Ausdrücklich regelt § 2 der Vereinbarung, dass während der Freistellungsphase das Arbeitsverhältnis ruhe (vgl. Bl. 15 Unfallakte). Daneben übersandte der Zoo den Arbeitsvertrag mit dem Kläger und eine Vereinbarung mit dem Nationalpark in Vietnam, woraus sich ergibt, dass der Zoo an den Nationalpark eine Summe von 12.000 € für die Bezahlung der Tierpflegertätigkeit im Jahr 2009 überweisen musste (Bl. 18 der Unfallakte). Mit Bescheid vom 11.12.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, der Kläger habe zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht zum versicherten Personenkreis gehört. Eine Entsendung nach § 4 Abs. 1 SGB IV liege nicht vor, vielmehr sei es so, dass der Kläger am Unfalltag im Rahmen seiner Tätigkeit für den Nationalpark in Vietnam beschäftigt gewesen sei. Für die Bezahlung sei ebenfalls der Nationalpark verantwortlich gewesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22.12.2009 Widerspruch ein und fügte zur weiteren Begründung eine Lohnsteuerbescheinigung für 2009 vor, aus der sich ergibt, dass im Jahr 2009 ein Bruttoarbeitslohn von 645,33 € von der Zoo A-Stadt GmbH an den Kläger gezahlt worden ist (vgl. Bl. 63 Unfallakte). Die Beklagte hat im Verwaltungsverfahren weitere Ermittlungen angestellt durch Nachfrage bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG), ob hier ggf. eine versicherte Tätigkeit für die zoologische Gesellschaft F-Stadt vorliegen könne. Die VBG hat...

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