Wegeunfall anlässlich Wartung eines Job-Rads

"Job­Rad-Mo­del­le" sind zunehmend verbreitet. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Baden-Würt­tem­berg hat nun in diesem Zusammenhang ent­schie­den, dass ein Arbeitnehmer der Unfallversicherung unterliegt, wenn er ein sol­ches Fahr­rad au­ßer­halb sei­ner ei­gent­li­chen Ar­beits­zeit, aber in Er­fül­lung einer ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung mit dem Ar­beit­ge­ber zu einer all­jähr­li­chen In­spek­ti­on in eine Ver­trags­werk­statt bringt.

Der Fall

Der Arbeitgeber hatte mit Zustimmung seines Betriebsrats seinen Mitarbeitern ein sog.  "JobRad-Modell" angeboten, das einen Beitrag zur Verbesserung und Förderung der Gesundheit der Belegschaft leisten, die Parkplatzsituation auf dem Betriebsgelände verbessern und einen Beitrag zu dem Programm "Fahrrad-Stadt Schwäbisch Gmünd" leisten sollte. In den entsprechenden Leasingverträgen mit der JobRad GmbH buchte der Arbeitgeber auch eine besondere, alljährliche Wartung auf Kosten der GmbH. Sodann verpflichtete er in vorformulierten Überlassungsverträgen die teilnehmenden Mitarbeiter ausdrücklich zur Durchführung dieser Jahreswartung. Im November 2017 erinnerte er die Mitarbeiter mittels E-Mail an diese Wartung, wobei er die Werkstatt und die Modalitäten zur Bezahlung der Wartung vorgab.

Die Klägerin verunglückte im März 2018 nach Abholung des gewarteten Rades auf dem Weg von der Werkstatt nach Hause. Sie erlitt erhebliche Verletzungen am linken Knie. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil die Abholung des Rades eine privatnützige Tätigkeit gewesen sei.

Das LSG bejaht einen Arbeitsunfall 

Während das SG Ulm sich der Ansicht der Berufsgenossenschaft anschloss und die Klage abwies, hat das LSG (Urteil vom 21.10.2021 - L 1 U 779/21) auf die Berufung der Klägerin festgestellt, dass der Unfall der Klägerin ein Arbeitsunfall war. Zwar sei grundsätzlich die Nutzung eines Jobrads privatnützig, aber die besondere Jahreswartung stelle hier ausnahmsweise eine betriebsbezogene Verrichtung dar, mindestens eine Verrichtung mit "gemischter Motivationslage", bei welcher der Betriebsbezug die privaten Interessen des Arbeitnehmers überwiege. Der Arbeitgeber habe hier mit der jährlichen Wartung eine zusätzliche Pflicht gegenüber dem Leasinggeber freiwillig übernommen und durch vorformulierte Klauseln auf die teilnehmenden Mitarbeiter übertragen.

Auch wenn die Wartung außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfand, ergebe sich ein Betriebsbezug aus der E-Mail des Arbeitgebers mit der Aufforderung und konkreten Vorgaben zur Wartung und den vertraglichen Abreden über die Kostentragung. Ausgehend von dieser Einordnung habe sich die Klägerin, als der Unfall geschah, auf dem versicherten direkten Heimweg von der Arbeit nach Hause befunden.

Wichtig für die Praxis

Solche Modelle finden eine zunehmende Verbreitung. Erlegt der Arbeitgeber - wie hier - den Beschäftigten im Rahmen solcher Vertragskonstrukte Verpflichtungen auf, die eigentlich ihn treffen, sind die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten und Wege vom Unfallversicherungsschutz umfasst. Anders sieht es dann aus, wenn die Fahrräder zwar überlassen, regelmäßige Wartungen aber nur empfohlen werden, weil sich dann die im LSG-Urteil festgestellte „gemischte Motivationslage“ hin zu den privatnützigen Interessen der Arbeitnehmer verschiebt.

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