Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. Arbeitgeberkündigung. Aufhebungsvertrag. Abfindung. Verzicht auf Kündigungsschutzklage. Informationsgespräch. wichtiger Grund. Rechtmäßigkeitsprüfung

 

Orientierungssatz

1. Die Hinnahme einer arbeitgeberseitigen Kündigung begründet auch dann keine Sperrzeit iS von § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3, wenn die Kündigung mit einer über den Betrag des § 1a KSchG hinausgehenden Abfindung verbunden ist, die für den Fall gezahlt wird, dass gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, und Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor der bevorstehenden Kündigung darüber Gespräche geführt haben.

2. Von der Rechtmäßigkeitsprüfung einer drohenden Arbeitgeberkündigung kann abgesehen werden, wenn sich die Abfindungshöhe im Rahmen des nach § 1a KSchG Vorgesehenen bewegt.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 08.02.2006 und unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2006 verurteilt, dem Kläger bereits ab 01.01.2006 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ohne Minderung der Anspruchsdauer zu bewilligen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit.

Der am 18.10.1949 geborene Kläger meldete sich am 13.10.2005 zum 01.01.2006 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung endete sein seit dem 01.04.1964 bestehendes Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 30.05. zum 31.12.2005. Nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens vom 30.05.2005 erfolgte die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nach Anhörung des Betriebsrates, der ihr nicht widersprochen hatte. Ferner heißt es in dem Kündigungsschreiben: "Gemäß § 1 a KSchG möchten wir Sie hiermit darauf hinweisen, dass Sie mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2005 eine Abfindung in Höhe von Euro 108.000 (i.W. einhundertachttausend) brutto erhalten, sofern sie gegen die Kündigung keine Klage erheben. Mit Zahlung dieser Abfindung sind auch alle eventuellen Ansprüche aus dem Interessenausgleich und Sozialplan der MMB abgegolten." Der Kündigung des schwerbehinderten Klägers hatte der Landschaftsverband Rheinland ausweislich seines Bescheides vom 23.05.2003 gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IX zugestimmt. Diesem Bescheid hatte der Kläger nicht widersprochen. Kündigungsschutzklage hat er nicht erhoben.

Mit Bescheid vom 08.02.2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von zwölf Wochen für die Zeit vom 01.01. bis 25.03.2006 fest. Zwar liege formal eine arbeitgeberseitige Kündigung vor, entscheidend sei aber der wirkliche Wille, der auf Auflösung gerichtet sei. Die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendung sei als Lösung zu bewerten, die Kündigung habe nur durch den Verzicht auf Kündigungsschutz wirksam werden können, so dass der Kläger im Ergebnis das Beschäftigungsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag selbst gelöst habe. Mit weiterem Bescheid vom 02.08.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 26.03.2006 bis voraussichtlich 09.11.2007.

Zur Begründung seines am 16.02.2006 eingegangenen Widerspruchs verwies der Kläger darauf, dass das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt habe. Er habe von der im Kündigungsschutzgesetz geregelten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die mit einer Abfindung verbundene Kündigung ohne eine Kündigungsschutzklage hinzunehmen. Eine Kündigungsschutzklage hätte auch keine Aussicht auf Erfolg geboten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gestützt auf § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III als unbegründet zurück. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis gelöst. Er sei zwar formal durch den Arbeitgeber gekündigt worden, ohne dass hierfür arbeitsvertragswidriges Verhalten maßgeblich gewesen sei. Es müsse jedoch tatsächlich von einer Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Mitwirkung des Klägers ausgegangen sein. Denn er habe eine Kündigung hingenommen, die mit einer Abfindung verbunden sei, die über die Abfindung gemäß § 1 a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) deutlich hinaus ginge. Die Höhe der Abfindung von 108.000,00 EUR lasse sich bei aufgerundet 41 Beschäftigungsjahren und einem durchschnittlichem Monatslohn von 2.570,00 EUR nicht aus § 1 a KSchG herleiten. Sie lasse sich auch nicht aus der Gesamtbetriebsvereinbarung erklären, die, wie der Arbeitgeber mitgeteilt habe, 54.267,47 EUR betragen hätte. Ein wichtiger Grund oder Härtegesichtspunkte seien nicht erkennbar. Die Sperrzeit führe zur Minderung der Anspruchsdauer um 195 Tage.

Zur Begründung seiner am 30.03.2006 erhobenen Klage tritt der Kläger der Auffassung der Beklagte entgegen, er habe stillschweigend einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Es sei tatsächlich von einer arbeitgeberseitigen Kündigung auszugehen, gegen die er sich weder habe wehren müssen, noch hätte wehren können. Insbesondere seien alle Formalien für das Wirksam werd...

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