Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2017; Aktenzeichen B 2 U 14/15 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 17.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 verurteilt, den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verletztenrente ab dem 01.07.2004 zu verzinsen.

2. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten nach § 44 SGB I (Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - Allgemeiner Teil) die Zahlung von Zinsen für die im - erst nachträglich - gewährte Zahlung von Rente wegen der Folgen einer BK (Berufskrankheit).

Bei ihm liegt eine BK nach der Nr. 5101 der Anlage (seit 01.07.2009 Anlage 1) zur BKV (Berufskrankheiten-Verordnung) vor. Dies wurde von der Beklagten allerdings - nach anfänglicher Ablehnung (Bescheid vom 23.12.03 / Widerspruchsbescheid vom 26.04.04) - erst aufgrund eines am 15.09.2010 geschlossenen Vergleichs vor dem LSG (Landes-sozialgericht) Nordrhein-Westfalen (L 17 U 52/06) anerkannt. Darin wurde - "unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom Juni 2004" - für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 30.06.2007 die Zahlung von Verletztenrente nach einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 20 v.H. (vom Hundert) zugestanden.

Die Beklagte führte den Vergleich mit Bescheid vom 16.11.2010 aus und errechnete einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 15.627,96 Euro.

Mit Schriftsatz vom 04.01.2011 beantragte der Kläger die Verzinsung dieser Nachzahlung.

Die Beklagte nahm lediglich eine Verzinsung für die Zeit vom 01.11.2010 bis 30.11.2010 vor (Bescheid vom 30.06.2004). Ausweislich des Akteninhalts stützte sie sich dabei auf eine Entscheidung des BSG (Bundessozialgericht) vom 30.01.1991 (Az. 9ª/9 RV 29/89).

Der Kläger legte Widerspruch ein und verlangte eine Verzinsung ab 01.07.2004 (Schriftsätze vom 19.01.2011 und 31.01.2011).

Dieses Begehren wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2011 zurück. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides wird ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist der Auffassung, die Verzinsung sei - anders als die Beklagte meint - bereits ab dem 01.07.2004 vorzunehmen, da es eines Leistungsantrags nicht bedurft hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klagebegründung vom 26.05.2011 sowie der darin in Bezug genommenen Widerspruchsbegründung vom 31.01.2011 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 zu verurteilen, die Rentennachzahlung ab dem 01.07.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die von ihr getroffenen Entscheidung für richtig, sie entspreche den in der gesetzlichen Unfallversicherung üblichen Maßstäben (Schriftsatz vom 10.06.2011).

Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen dem Gericht vor. Ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der anschließenden Beratung der Kammer gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird daher hierauf Bezug genommen, ebenso auf den restlichen Inhalt der Streitakten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig. Sie ist daher zugunsten des Klägers abzuändern. Es ist - wie von ihm beantragt - eine Verzinsung bereits ab dem 01.07.2007 vorzunehmen.

Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Anordnung des § 44 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB I. Die abweichende Rechtsauffassung der Beklagten überzeugt nicht.

Zwar bedarf es im Hinblick auf eine Verzinsung von Leistungen der Unfallversicherung für Zeiträume vor Bescheiderteilung grds. auch eines Antrags, hierbei sind allerdings an die vollständige Antragstellung nur eingeschränkte Anforderungen zu stellen. Allgemein wird man bereits jegliche Kontaktaufnahme zwischen Versicherten und Unfallversicherungsträger als ausreichend ansehen müssen (Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl., § 44 Rn. 33 m.w.N.; ebenso Bigge in: Eichenhofer/Wenner, SGB I IV X, § 44 SGB I Rn. 16).

Diese Auffassung entspricht auch der vom Kläger angegebenen Rechtsprechung (BSG - 5ª RknU 5/82 - vom 11.08.1983 - juris Rn. 13 und 16; BSG - 9b RU 18/84 - vom 29.01.1986 - juris Rn. 12; BSG - 2 RU 25/85 - vom 26.06.1986 - juris Rn. 22; BSG - 2 RU 17/91 - vom 24.01.1992 - juris Rn. 18; LSG Baden-Württemberg - L 1 U 1935/08 - vom 25.08.2008 - juris Rn. 22 und 24; vgl. auch BSG - 9b/8 RU 6/81 - vom 23.06.1982 - juris Rn. 13; sowie BSG - 9b RU 36/82 - vom 16.05.1984 - juris Rn. 25).

Die Verzinsung soll den Gläubiger dafür entschädigen, dass ihm eine zustehende Geldleistung zeitweilig vorenthalten wurde (so auch die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des BSG - 9a/9 RV 29/89 - vom 30.01.1991 - juris Rn. 15 m.w.N.). Daher kann es nicht angehen, der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, Zinsansprüche durch eine unrechtmäßige Verweigerung von Leistungen hinauszuzögern, zumal Ansprüche in der gesetzlichen Unfallver...

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