Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Verzinsung. Beginn. Geldleistung. Verletztenrente. Leistung von Amts wegen. vollständiger Leistungsantrag. rechtsfehlerhafte Beendigung des Rentenfeststellungsverfahrens durch den Unfallversicherungsträger. Verjährung. rückwirkende Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Ansprüchen auf Geldleistungen (Verletztenrente), die von Amts wegen zu gewähren sind, liegt ein vollständiger Antrag vor, wenn der Versicherte in Kenntnis des durchgeführten Verwaltungsverfahrens alle erforderlichen Angaben gemacht hat. Ein förmlicher Leistungsantrag ist dann entbehrlich (vgl BSG vom 11.8.1983 - 5a RKnU 5/82 = SozR 1200 § 44 Nr 7).

2. Der Zinsanspruch bei Verletztenrente entsteht mit dem vollständigen Leistungsantrag dann, wenn der Versicherungsträger das diesem Antrag zu Grunde liegende Feststellungsverfahren rechtsfehlerhaft beendet hat, später aber verpflichtet wird (hier durch gerichtlichen Vergleich), unter Berücksichtigung der Verjährung rückwirkend Verletztenrente zu gewähren. Maßgebend für die Verzinsung ist nicht ein später gestellter Neuantrag (Anschluss an BSG vom 24.1.1992 - 2 RU 17/91 = SozR 3-1200 § 44 Nr 4).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.03.2008 und der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2006 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, auf die Rentenleistungen Zinsen in Höhe von 4 v.H. auch für die Zeit ab 01.01.1995 bis 30.04.2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen einschließlich des Widerspruchsverfahrens.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nur noch streitig, ob dem Kläger Zinsen aus verspäteter Rentengewährung bereits ab 01.01.1995 anstatt ab 01.05.2000 zustehen.

Der 1940 geborene Kläger war als Bauarbeiter tätig. Wegen einer auf seine Berufstätigkeit zurückgeführten Schwerhörigkeit führte die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden Beklagte), 1987 Ermittlungen durch. Mit Bescheid vom 26.10.1987 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab, da die durch die versicherte Tätigkeit verursachte Hörstörung nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 15 v.H. bedinge.

Im Februar 1990 teilte der behandelnde Arzt des Klägers den Verdacht einer berufsbedingten Schwerhörigkeit wegen der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers im Lärmbereich des Betriebes mit, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 28.02.1990 dem Kläger die Einleitung eines Feststellungsverfahrens u. a. auch zur Ermittlung von Entschädigungsleistungen bekanntgab. Der Kläger machte unter dem 12.03. und 12.05.1990 Angaben in den ihm übersandten Vordrucken der Beklagten zur Art seiner Tätigkeit, zum beruflichen Werdegang und zur ärztlichen Behandlung. Auf der Grundlage des HNO-ärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. N. vom 17.08.1990, der eine Schwerhörigkeit mit einer MdE um 20 v.H. ermittelte, diese aber nur als lärmbedingt bei einer Tätigkeit mit einem Lärmpegel von mehr als 90 dBA beurteilte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30.08.1990 mit, ein Entschädigungsanspruch käme weiterhin nicht in Betracht.

Am 26.10.1999 zeigte die HNO-Universitätsklinik T. die Schwerhörigkeit des Klägers als mögliche Berufskrankheit an. Im Rahmen der anschließenden Ermittlungen holte die Beklagte das Gutachten von Prof. Dr. Z. vom 28.05.2001 mit Ergänzungen ein (mit gutachtlicher Bewertung einer lärmbedingten Schwerhörigkeit und berufsbedingter MdE um 80 v.H.). Gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. P. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.2003 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2003 zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Klage beim Sozialgericht Reutlingen (S 6 U 2954/03) wurde die Beklagte mit Urteil vom 27.01.2005 verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. ab 01.01.1995 zu gewähren. In dem hierauf durch Berufung der Beklagten vor dem erkennenden Senat anhängig gewordenen Verfahren L 1 U 1278/05 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich, der mit Beschluss vom 15.05.2006 nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) festgestellt wurde. Im Vergleich hatte sich die Beklagte zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.01.1995 und zur Erstattung der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge und des Vorverfahrens verpflichtet, der Kläger hatte die weitergehende Klage zurückgenommen.

Mit Bescheid vom 24.08.2006 stellte die Beklagte unter Bezugnahme auf den gerichtlichen Vergleich die Berufskrankheit mit der MdE um 20 vH fest und gewährte Verletztenrente ab 01.01.1995 (mit Monatsbeträgen zwischen 343,71€ bis -ab 01.07.2006- 377,51€).

Hiergegen legte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten m...

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